Ein Land driftet abPremier Janez Jansa modelt Slowenien nach ungarischem Vorbild um

Ein Land driftet ab / Premier Janez Jansa modelt Slowenien nach ungarischem Vorbild um
Sloweniens rechtspopulistischer Premier Janez Jansa wandelt auf den Spuren Viktor Orbans Foto: dpa/Igor Kupljenik

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Fast unbemerkt von Europas Öffentlichkeit wird die Gewaltenteilung unter Sloweniens rechtspopulistischem Premier Janez Jansa zunehmend außer Kraft gesetzt. Ausgerechnet in einer der schwersten Krisen der EU wird der Alpenstaat im Juli deren Vorsitz übernehmen.

Aus seiner Genugtuung über den Führungswechsel beim wichtigsten TV-Sender des Landes macht Sloweniens rechtspopulistischer Premier Janez Jansa keinen Hehl. „Lasst uns hoffen, dass der neue Besen solche Falschmeldungen korrigiert“, kommentierte der ranghöchste Kritiker des öffentlich-rechtlichen RTV-Senders zu Wochenbeginn per Twitter einen ihm missliebigen Parlamentsbericht.

Als „Jansas neuer Besen“ bezeichnet die Tageszeitung Dnevnik den am Montag zum künftigen RTV-Direktor gekürten Andrej Grah Whatmough. Tatsächlich kann sich SDS-Chef Jansa mit der Wahl des von dem Koalitionspartner SMC nominierten Steuerfachmanns am Ziel seiner monatelangen Kampagne gegen die „Lügenberichterstattung“ des Senders wähnen. „Verbreitet keine Lügen. Wir bezahlen euch, um zu informieren, nicht irrezuführen“, hatte der Premier bereits eine Woche nach seinem Amtsantritt im vergangenen März die RTV-Journalisten gewarnt: „Anscheinend gibt es zu viele von euch – und werdet ihr zu gut bezahlt.“

Twitter-Schmähungen

Seine Twitter-Schmähungen von unliebsamen Journalisten hatten dem 62-jährigen Rechtsausleger schon im Frühjahr Ermahnungen des Europarats und der Europäischen Rundfunkunion (EBU) beschert. Beeindruckt zeigt sich der streitbare Hobby-Alpinist davon allerdings kaum. Im Dezember setzte das Presseamt der Regierung (UKOM) kurzerhand die Finanzierung der nationalen Nachrichtenagentur STA aus. Von einem „weiteren Versuch, die Agentur zu zerstören“, sprach besorgt der nationale Journalistenverband DNS in einer Erklärung: „Wir haben dasselbe bereits im benachbarten Ungarn erlebt.“

Auch frühere Partner haben genug. Seine Partei wolle „kein autokratisches System“, begründete der frühere Außenminister Karl Erjavec Mitte Dezember den Regierungsaustritt der Rentnerpartei DeSUS mit dem „Druck auf die Medien“ sowie Sloweniens zunehmender EU-Isolierung und „Orbanisierung“: „Wir wollen, dass Slowenien zur Gruppe der EU-Kernstaaten zurückkehrt.“

Ähnlich wie Orban versucht Jansa, die Kontrolle über alle Staatsinstitutionen zu übernehmen

Svetlana Slapsak, politische Analystin

Ein Land driftet ab. Fast unbemerkt von Europas Öffentlichkeit wird die Gewaltenteilung in Slowenien zunehmend ausgehebelt. Jansa habe zwar weder die Mittel noch Medienmacht wie sein ungarisches Vorbild Viktor Orban, so die Analystin Svetlana Slapsak in Ljubljana gegenüber dem Tageblatt: „Aber ähnlich wie Orban versucht er, die Kontrolle über alle Staatsinstitutionen zu übernehmen.“ Ob bei der Lancierung seiner Gefolgsleute im Sicherheitsapparat, der Justiz oder selbst in den Direktorensesseln von Krankenhäusern: Politisches Kalkül gehe dabei oft mit „klassischem Balkan-Nepotismus“ gepaart.

Über die vermehrten Investitionen ungarischer Geschäftsmänner aus dem Dunstkreis von Orbans Fidesz-Partei in slowenische Medien debattierte im November selbst das Europaparlament. Parteimedien wie die Zeitschrift Demokracija, der TV-Sender Nova24TV sowie Radio-Sender und Webportale seien „im Wesentlichen von Orban finanziert“, sagt Slapsak: „Im Gegenzug ebnet die Regierung dem ungarischen Kapital in Slowenien den Weg.“

Im eigenen Land zieht Twitter-Liebhaber Jansa nach dem Vorbild des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump gegen Kritiker recht derb vom Leder. Auf dem EU-Parkett hält er sich im Gegensatz zum offen auf Konfrontationskurs segelnden Orban auffällig bedeckt.

Trump-Verehrer

Zwar hatte sich Jansa wegen seiner Attacken gegen Journalisten auch eine Ermahnung der EU-Werte-Kommissarin Vera Jourova eingefangen. Für Missstimmung selbst in der Koalition sorgten auch seine Twitter-Wahlwarnung vor Joe Biden als „schwächsten US-Präsidenten aller Zeiten“ und die verfrühten Glückwünsche an Trump. Doch obwohl Jansa sich im November für die Positionen von Polen und Ungarn im Streit um den Rechtsstaatsmechanismus starkmachte, wird er im Gegensatz zu Orban bisher weder in der EU noch in der christdemokratischen EVP als Problemfall empfunden.

Einerseits fiel sein Amtsantritt im März mit dem Beginn der Corona-Krise zusammen – und plagen Europa seitdem ganz andere Sorgen. Andererseits tritt Jansa laut Slapsak in Brüssel „völlig anders“, fast unterwürfig auf: „Von außen ist kaum zu erkennen, was in Slowenien derzeit passiert.“ Am 1. Juli wird Slowenien die EU-Präsidentschaft übernehmen. Auch wenn es sich dabei eher um eine „administrative Aufgabe“ handle, rechnet Slapsak schon jetzt mit einer Präsidentschaft der verpassten Chancen: „Leider setzt sich der Beraterstab des Premiers eher aus Gleichgesinnten als aus Fachleuten zusammen.“