Migration / Polen verlängert Ausnahmezustand an der Grenze zu Belarus
Das Parlament in Polen hat in der Nacht zum Freitag den Ausnahmezustand an der Grenze zu Weißrussland um weitere zwei Monate auf Anfang Dezember verlängert.
Vorausgegangen war eine äußerst hitzige Sejm-Sitzung. Die liberale und linke Opposition warf der rechtspopulistischen PiS-Regierung vor, auf dem Rücken von verfolgten Kriegsflüchtlingen aus Syrien, Irak und Afghanistan Politik zu machen, die UNO-Flüchtlingskonvention zu verletzen und die Pressefreiheit einzuschränken. Innenminister Mariusz Kaminski argumentierte indes mit einem großen Gefahrenpotenzial. Bis zu einem Viertel der aus Weißrussland illegal über die grüne Grenze nach Polen wandernden Flüchtlinge seien Extremisten, argumentierte er.
Damit sind die bürgerlichen Freiheiten in 183 Ortschaften entlang der Staatsgrenze mit Belarus weitgehend aufgehoben. Auswärtige und vor allem Journalisten dürfen sich in einer Drei-Kilometer-Zone der Grenze entlang nicht aufhalten. Die Zone wird von bewaffneten Militärpolizisten sehr genau kontrolliert, jedes Fahrzeug wird angehalten und durchsucht, die Insassen müssen sich ausweisen.
Die Regierung begründet die Verlängerung des Ausnahmezustands mit einem zunehmenden Druck von nach Polen einsickernden Flüchtlingen aus Asien, dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika. Warschau und Brüssel machen dafür das Regime von Alexander Lukaschenko verantwortlich, der im Frühsommer gedroht hatte, sich gegen EU-Sanktionen damit zu rächen, dass er weder Drogen noch Flüchtlinge aufhalte. Laut Recherchen unabhängiger Journalisten aus Litauen ist das Regime Lukaschenko direkt in den Transfer von Flüchtlingen vom Minsker Flughafen an die EU-Außengrenze zu Litauen, Lettland und Polen involviert. Nachdem der Irak auf EU-Druck Direktflüge aus Bagdad nach Minsk eingestellt hat, reisen Fluchtwillige heute vor allem über Istanbul und Dubai nach Belarus ein. Laut dem polnischen Grenzschutz haben im August rund 3.500 Menschen versucht, die Grenze illegal zu überqueren, im September waren es bereits 7.000.
Am Dienstag war mit 473 Versuchen der bisherige Tagesrekord erreicht. Die meisten Flüchtlinge werden abgefangen und viele davon in umstrittenen Push-Back-Aktionen wieder nach Weißrussland zurückgetrieben. Inzwischen sollen mehrere Gruppen von Flüchtlingen, teils mit kleinen Kindern, im sumpfigen Waldgebiet zwischen den beiden Ländern umherirren. Erste Erfrierungstote haben inzwischen die EU auf den Plan gerufen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass an der EU-Grenze Menschen sterben“, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Donnerstagabend am Flughafen Warschau, wo sie sich kurz mit Kaminski traf. Sie verlangte von Polen mehr Transparenz beim Umgang mit der Flüchtlingskrise.
Menschlichkeit gefordert
So hat Polen etwa im Unterschied zu Litauen keine Hilfe der EU-Grenzagentur Frontex angefordert. NGOs vermuten, damit solle verhindert werden, dass es Zeugen für die polnischen Push-Backs gebe. „Aus mündlichen Schilderungen von Ausländern wissen wir, dass der polnische Grenzschutz Leute ins Waldgebiet zwischen dem polnischen und weißrussischen Grenzzaun zurückfährt“, sagt Maria Poszytek von der Bürgeraktion „Gruppe Grenze“. Davon sind laut Maria Zlonkiewicz von der Bürgeraktion „Brot und Salz“ selbst Kinder betroffen. „Bisher hatten wir die Hoffnung, dass der Grenzschutz Familien mit kleinen Kindern immer in den Flüchtlingsunterkünften aufnimmt und ihnen Hilfe gewährt, doch das war naiv“, empört sich Zlonkiewicz laut einem Bericht des Nachrichtenportals onet.pl.
Im Grenzdorf Michalowo hat offenbar die Gemeindeversammlung inzwischen den Grenzschutz zu mehr Menschlichkeit aufgerufen. Der Ort will selbst Notunterkünfte für Flüchtlinge bereitstellen. Die polnische Regierung hingegen argumentiert, dass die Aufnahme von Flüchtlingen nur eine größere Einreisewelle verursache und damit Lukaschenko in die Hände spiele. NGOs hingegen verweisen darauf, dass kältetote Flüchtlinge an der Grenze zu Weißrussland der Diktatur nur neues Wasser für ihre Propagandamühlen lieferten, denn sie würden zeigen, wie unmenschlich Polen und die EU seien.
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