Bialowieza-NationalparkPolen baut Grenzmauer zu Belarus mitten durch Europas letzten Urwald

Bialowieza-Nationalpark / Polen baut Grenzmauer zu Belarus mitten durch Europas letzten Urwald
Bedrohung für die letzten Wisente Europas: Der hastig errichtete Stacheldrahtzaun soll einer meterhohen Mauer weichen Foto: AFP/Wojtek Radwanski

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Da das Baugelände mitten im Gebiet des polnischen Ausnahmezustandes liegt, zu dem weder Medienvertreter noch Nichtregierungsorganisationen Zugang haben, ist wenig über den Bau bekannt.

In dem seit gut 40 Jahren menschenfreien „Hohen Moor“ laufen rund um die Uhr Kreissägen und schwere Baumaschinen. Mitten durch Bialowieza, den Unesco-geschützten letzten Urwald Europas, baut Polens Grenzschutz eine knapp sechs Meter hohe Stahlbetonmauer an der Grenze zu Belarus.

Laut dem polnischen Innenministerium soll die 186 Kilometer lange Grenzmauer umgerechnet 355 Millionen Euro kosten und in drei Schichten Tag und Nacht bis Ende Juni fertiggestellt werden. Mit einer Mauer geschützt werden soll nur die grüne Grenze zu Belarus in der Woiwodschaft Podlasien. Dort, wo die Grenze entlang den Flüssen Bug und Swislotsch verläuft, ist bisher keine Grenzmauer geplant.

Warschau will damit die vom belarussischen Autokraten Alexander Lukaschenko künstlich erzeugte Flüchtlingskrise an Polens Ostgrenze stoppen. Seit August haben Tausende Migranten aus Irak, Syrien und Afrika versucht, via Belarus nach Polen und damit in die EU zu gelangen. Die allermeisten waren über den Flughafen Minsk nach Belarus gelangt und von dort mit Bussen an die EU-Außengrenze gekarrt worden. Im September baute Polen gegen diese völlig neue Fluchtroute einen behelfsmäßigen Stacheldrahtzaun; nun soll dieser durch eine weit höhere Mauer mit aufgepflanzten Überwachungskameras ersetzt werden. Für das umstrittene Bauwerk wurden sämtliche Umwelt- und Grundwasserschutzmaßnahmen von der rechtspopulistischen PiS-Regierung aufgehoben. Brüssel hat es abgelehnt, das umstrittene Bauwerk finanziell zu unterstützen.

„Niemand hörte auf mich“, sagt der Umweltschützer

Seit November haben die Grenzübertrittversuche von Flüchtlingen zwar wieder abgenommen; auch gab es mehrere Repatriierungsflüge aus Minsk nach Bagdad und Erbil im Irak. Doch Polens Regierung glaubt nicht an ein Ende der von Lukaschenko geförderten Flüchtlingskrise und will sich mit der Grenzmauer vor der nächsten Migrationswelle wappnen. In der Tat versuchten in den letzten zehn Tagen laut offiziellen Grenzschutzangaben trotz schlechten Wetters und tiefen Minustemperaturen dutzende Migranten, illegal über den Stacheldrahtzaun nach Polen zu gelangen. Dabei handelt es sich aktuell vor allem um Migranten aus Asien und Afrika.

Gegen das umstrittene Mammutprojekt der Grenzmauer macht im Dorf Bialowieza die Bürgerinitiative „Urwald“ mobil. Deren Sympathisanten wollen den Protest auch nach Warschau weitertragen. Ökologen machen vor allem auf die durch eine Grenzmauer durchtrennten Migrationspfade für Säugetiere aufmerksam. Zwar hat der Grenzschutz 22 Tore für große Tiere wie Wölfe, Elche, Bären und Wisente auf der Mauerlänge von 186 Kilometern eingeplant. Doch ist unklar, wie diese eh sehr wenigen Durchlässe für die Tiere geöffnet werden.

Bereits heute seien mindestens 20 Wisente zwischen den Grenzbefestigungen in Polen und Belarus gefangen, alarmierte vor ein paar Tagen Adam Wajrak, ein ortsbekannter Umweltschützer, der am Rande der Ausnahmezustandszone lebt. Laut Wajrak sind zwei der letzten wildlebenden Bisons Europas bereits in den polnischen Stacheldrahtverhauen an der Grenze verblutet. „Ich hatte davor gewarnt, aber niemand hörte auf mich“, klagte Wajrak. Auf der polnischen Seite des Bialowieza-Urwalds leben noch 715 Wisente, auf der belarussischen Seite soll es sich um 675 Wisente handeln. Besuchen können sich diese Tiere nach dem Bau der Grenzmauer nicht mehr.

Soren
28. Januar 2022 - 9.49

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