DeutschlandPlant Sahra Wagenknecht tatsächlich die Gründung einer neuen Partei?

Deutschland / Plant Sahra Wagenknecht tatsächlich die Gründung einer neuen Partei?
Sahra Wagenknecht hält Die Linke in Deutschland in Atem Foto: Michael Kappeler/dpa/AFP

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Angeblich plant Sahra Wagenknecht die Gründung einer neuen Partei neben der Linken. Doch bislang scheut sie einen solchen Schritt. Warum nur? Inzwischen kursiert die Vermutung, dass andere Linken-Genossen die Spaltung wollen – und sie dafür eine Galionsfigur brauchen: Sahra Wagenknecht.

Gregor Gysi hat einen Termin. Einen Termin mit Sahra Wagenknecht. Irgendjemand muss es richten. Irgendjemand muss versuchen, das auf der politischen Sandbank festgefahrene Boot wieder zurück in die Fahrrinne zu bringen. Und festgefahren ist bei der Linken viel: vor allem der Streit um den Kurs der Partei. Der langjährige Frontmann Gysi will in dieser Krise der Linken, die längst zu einer Dauerkrise geworden ist, nichts unversucht lassen. Gysi war zehn Jahre Vorsitzender der Bundestagsfraktion, er war auch Vorsitzender seiner Partei, als diese noch PDS hieß und sie noch nicht mit der westdeutschen WASG zur gesamtdeutschen Linken fusioniert war. Er verfügt über ein Netzwerk wie vermutlich kein Zweiter bei den Linken-Genossen. Gysi wird im Januar 75 Jahre alt. Aber nach Ruhestand ist ihm nicht.

Gysi fährt immer noch durch das Land. Er spricht bei den Genossinnen und Genossen in den Ländern. Mal Thüringen, mal Nordrhein-Westfalen. Denn es geht in diesen Tagen und Wochen auch für ihn um Wichtiges – um die Rettung eines politischen Lebensprojektes. Es geht um das Überleben der Partei Die Linke. Dafür schlüpft er gerne in die Rolle des stillen Vermittlers. Ein Treffen mit Wagenknecht hatte er schon. In dieser Woche soll ein zweites folgen. Mal sehen, was dabei herauskommt. Gysi weiß: „Sahra erntet in der Linken sehr viel Zustimmung, aber eben auch Ablehnung. Das ist der Konflikt. Vielleicht führen wir das Ganze ja wieder zusammen.“

Sahra erntet in der Linken sehr viel Zustimmung, aber eben auch Ablehnung. Das ist der Konflikt. Vielleicht führen wir das Ganze ja wieder zusammen.

Gregor Gysi, Linken-Politiker

Wagenknecht wirbelt die Partei – wieder einmal – durcheinander. Angeblich plant sie die Neugründung einer Partei in Konkurrenz zur Linken. Doch wer sich in Partei und Bundestagsfraktion umhört, kann nicht mehr ganz sicher sein, ob Wagenknecht diesen Schritt gehen will und wird – zumindest nicht aktuell. Und auch Gysi hat nach einem Treffen mit Wagenknecht seine Zweifel. „Ich weiß gar nicht, ob Sahra Wagenknecht selbst eine Parteineugründung will – oder ob das andere Leute sind, die so etwas anstreben. Sahra kennt ja die Probleme einer Parteineugründung. Ich habe den Eindruck, sie ist in dieser Frage nicht entschlossen. Sie führt ja auch Gespräche mit mir.“

Zuletzt war auch von einem Austritt, also einer Abspaltung, von einer Gruppe von Abgeordneten um Wagenknecht aus der Bundestagsfraktion die Rede, zu denen einige sehr linke Außen- und Verteidigungspolitiker zählen. In diesem Fall verlöre die Linke ihren Fraktionsstatus, den ihr nur drei gewonnene Direktmandate bei der Bundestagswahl retteten und der ihr im Bundestag zahlreiche Rechte und Privilegien zusichert. Niemand hätte davon einen Gewinn, weder die linken Separatisten noch der Rest der heute insgesamt 39 Frauen und Männer zählenden Bundestagsfraktion. Doch Ruhe ist deswegen noch lange nicht im Karton.

Fans bei der Linken und der rechten AfD

Die Linken-Chefs im Bundestag, Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch, müssen sich immer wieder anhören, sie hätten ihren Laden nicht im Griff. Im September polarisierte Wagenknecht mit einer Russland-Rede im Bundestag, in der sie der Bundesregierung vorwarf, die Ampel-Regierung breche einen „beispiellosen Wirtschaftskrieg“ gegen Russland vom Zaun. Wagenknecht polarisiert. Sie hat viele Gegner, aber eben auch viele Fans: bei der Linken wie auch bei der rechten AfD. Das der rechtsradikalen Szene zugerechnete Magazin Compact zeigt Wagenknecht aktuell auf dem Titel. Dazu die Zeile: „Die beste Kanzlerin. Eine Kandidatin für Links und Rechts.“

Wagenknecht sorgte in den vergangenen Jahren immer wieder für Unruhe und Störfeuer in den Reihen der Linken. Vor vier Jahren gründete sie die Bewegung „Aufstehen“ mit – für das Ziel einer linken Mehrheit in Deutschland. Mit den damaligen Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger führte sie eine Dauerfehde über den richtigen Kurs der Partei. Dann düpierte sie die „Aufstehen“-Führung mit ihrem überraschenden Rückzug aus der Bewegung – aus gesundheitlichen Gründen. Im vergangenen Jahr scheiterte ein Parteiausschlussverfahren gegen Wagenknecht, das einige Genossen beantragt hatten. Auslöser war Wagenknechts Buch „Die Selbstgerechten“. Darin wirft sie linken Parteien vor, mit Gender-, Klima- und Bio-Essen-Debatten ihre Kernwähler zu verprellen.

Und nun kursieren seit Wochen Meldungen, Wagenknecht hege Pläne für eine Parteineugründung. Wagenknecht selbst hat solche Pläne nie bestätigt. Bislang. Gysi, bei der Linken längst eine Art Elder Statesman, sagt: „Es ist ein sehr unglücklicher Zeitpunkt für eine Debatte in der Linken über eine Parteineugründung. Wir haben mit der eigenen Krise schon genug zu tun.“ Er versuche auf jeden Fall gegen eine Spaltung zu wirken. Aber Gysi sieht auch die Gefahr: „Auf jeden Fall gibt es die Gefahr einer Spaltung – durch wen auch immer.“ Hört sich an wie: Dunkle Mächte im roten Gewand.