In der SchuldenfallePeking vergrößert seinen Einfluss auf dem Westbalkan mit großzügigen Krediten

In der Schuldenfalle / Peking vergrößert seinen Einfluss auf dem Westbalkan mit großzügigen Krediten
Nicht nur Impfstoff aus Fernost: Westbalkanstaaten wie Serbien leihen sich Geld für Infrastrukturprojekte aus China Foto: AFP/STR/Vladimir Zivojinovic

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das kleine Montenegro hat bereits Schwierigkeiten, einen chinesischen Großkredit abzustottern. Anderen EU-Anwärtern auf dem Westbalkan könnte ein ähnliches Schicksal drohen. Eine neue Studie der italienischen UniCredit Group zeigt detailliert auf, wie tief der EU-Wartesaal bei Peking in der Kreide steht.

Selbst die ihren nahen Hinterhof lange sträflich vernachlässigende EU zeigt sich über den wachsenden Einfluss Chinas auf dem Westbalkan zunehmend besorgt. Die EU müsse ihre gemachten Zusagen gegenüber den EU-Anwärtern endlich einhalten, sonst drohe die Gefahr, „den Westbalkan zu verlieren“, mahnte beim EU-Außenministertreffen zu Wochenbeginn der deutsche Chefdiplomat Heiko Maas: „Wir sind nicht die Einzigen dort. Es gibt Wettbewerber. Und die treten sehr kompromisslos auf.“

Tatsächlich hat vor allem China den Einfluss im EU-Wartesaal mithilfe von großzügig vergebenen Krediten für den von chinesischen Baufirmen realisierten Bau von Autobahnen, Brücken und Kraftwerken in den letzten Jahren kräftig ausgeweitet. Mit Zinsraten von zwei bis drei Prozent wirken deren Kosten durchaus marktüblich. Was die chinesischen Kredite für die auf die rasche Verwirklichung von Prestigeprojekten erpichten Balkan-Regenten aber so attraktiv macht, ist deren relativ leichte Erhältlichkeit – ohne langwierige Machbarkeitsstudien oder Umweltverträglichkeitsprüfungen wie bei EU-Projekten üblich.

Die Schattenseite ist, dass sich Empfänger mit den Krediten wegen mangelhafter Wirtschaftlichkeitsüberprüfungen zu übernehmen drohen, immer tiefer in den Schuldensumpf schlittern und stets stärker in die Abhängigkeit des Gläubigers geraten – China. Ein tristes Beispiel dafür ist der kleinste EU-Anwärter Montenegro. Der Küstenstaat nahm 2014 einen Kredit in Höhe von 944 Millionen Dollar für den Bau einer Teilstrecke der geplanten Autobahn vom Adriahafen Bar nach Serbien auf: Der durch die Folgen der Corona-Krise schwer angeschlagene Adriastaat hat nun Mühe, den Großkredit abzustottern.

Hilferuf aus Montenegro

Fast verzweifelt klang der Hilferuf, mit dem sich Vizepremier Dritan Abazovic im März an den Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments wandte: „Wir bitten Sie, uns bei der Rückzahlung der Gelder zu helfen, damit wir den chinesischen Einfluss brechen können.“

Doch wie groß ist die Abhängigkeit der Region von chinesischen Krediten genau? Eine nun erschienene Studie der italienischen UniCredit Group zeigt detailliert auf, wie tief der Westbalkan bei Peking bisher in der Kreide steht. Der größte Auslandsgläubiger ist China auf dem Westbalkan (noch) keineswegs. Doch Pekings Einfluss ist mit dem wachsenden Kreditvolumen am Steigen.

Neben dem von China ohnehin nicht anerkannten Kosovo hat ausgerechnet das zu sozialistischen Zeiten eng mit Peking kooperierende Albanien bisher noch keine chinesischen Kredite aufgenommen. Laut der Studie werden die Kredite in den anderen Staaten der Region meist über Chinas Import-Export Bank (China EXIM) abgewickelt, die in der Regel rund 85 Prozent der Kosten der von chinesischen Staatsunternehmen realisierten Großbauprojekte finanziere.

Auffällig ist laut den Verfassern der Studie, dass die Kreditvergabe „relativ groß“ im Vergleich zur Größe der Volkswirtschaften der Empfängerländer sei. So machten die chinesischen Kredite 2020 in Bosnien und Herzegowina bereits 3,4 Prozent, in Serbien 7 Prozent, in Nordmazedonien 7,5 Prozent und in Montenegro gar 20,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Die jährlich fälligen Kreditraten bewegen sich laut den Recherchen von UniCredit zwischen 57 Millionen Euro in Nordmazedonien und 233 Millionen Euro in Serbien, wo die meisten Großprojekte unter chinesischer Federführung realisiert werden. Die Höhe der jährlichen Ratenzahlungen entspricht bisher – mit Ausnahme Montenegros – in allen Ländern weniger als ein Prozent des BIP. Die Abzahlung der chinesischen Kredite macht aber bereits 40 Prozent von Montenegros gesamtem Finanzierungsbedarf in den nächsten beiden Jahren aus. In den anderen Staaten sind es weniger als zehn Prozent.

Laut UniCredit ist China in den meisten Staaten der Region bisher der dritt- oder viertgrößte Auslandsgläubiger. Doch allein mit der vollen Auszahlung der bereits vereinbarten Kreditabkommen werde der Anteil der chinesischen Kredite an der gesamten Auslandsverschuldung in den nächsten Jahren auf 11,4 Prozent (Bosnien) bis 22,7 Prozent (Montenegro) klettern.

Der wachsenden Bedeutung Chinas als Kreditgeber auf dem Westbalkan könnte die EU mit der vermehrten Finanzierung von Infrastrukturprojekten durchaus entgegensteuern, glauben die Verfasser der Studie. Den EU-Anwärtern der Region wiederum empfehlen sie, ihre Finanzierungsquellen zu diversifizieren, „bevor die Last der Schuldrückzahlungen an China zu groß wird“.