Österreich / Obwohl die ÖVP noch unter dem Kurz-Drama leidet, fällt der SPÖ nichts Besseres als interner Streit ein
Österreichs Sozialdemokraten tun wieder einmal, was sie schon seit Jahren üben: Sie streiten – sehr zur Freude der nach einem Skandaljahr angeschlagenen ÖVP.
Nach dem unrühmlichen Abgang des ÖVP-Superstars Sebastian Kurz von der Regierungs- und Parteispitze versucht sein Nachfolger Karl Nehammer gerade Tritt zu fassen. Erleichtert wird die schwierige Konsolidierung nicht zuletzt durch führende Genossen, die mehr in ihrer Parteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner als in der türkis-grünen Koalition den Reibebaum sehen. Die Chefin ist als Epidemiologin wohl europaweit die einzige Spitzenpolitikerin, die in der Causa prima auch ohne Berater firm ist. Daher widerstand sie der oppositionellen Versuchung und machte sich gemeinsam mit der Bundesregierung auf den Weg zur Impfpflicht.
Die soll schon Mitte kommender Woche vom Nationalrat beschlossen werden, obwohl Zweifel bestehen, dass die technische Umsetzung ab 1. Februar überhaupt gelingt. Da die Omikron-Mutante zwar eine Explosion der Infektionszahlen, dank milderer Verläufe aber bislang keine Überlastung der Intensivstationen bewirkt hat, wackelt auch die verfassungsmäßig gebotene Voraussetzung einer Bedrohung des Gesundheitssystems.
Kein Zurück möglich
Ungeachtet aller Bedenken will Nehammer das Impfpflichtgesetz Mitte kommender Woche durchs Parlament bringen. Der neue ÖVP-Chef kann auch gar nicht mehr zurück, will er nicht den zunehmend aggressiv auftretenden Impfgegnern und den sich darunter mischenden Neonazis einen Triumph verschaffen. Dass die Regierung handwerklich gepfuscht und die Schaffung der technischen Voraussetzungen für eine reibungslose Umsetzung verabsäumt hat, geht freilich wieder einmal unter im Krach bei den Sozialdemokraten.
Denn immer mehr Genossen distanzieren sich von Rendi-Wagners Unterstützung der türkis-grünen Impfpflicht. Allen voran der burgenländische Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil. Dieser will nur eine indirekte Impfpflicht durch kostenpflichtige PCR-Tests. In der direkten Impfpflicht sieht er einen Weg ins „administrative Chaos“, weil Einsprüche gegen die Stichpflicht an sich oder Impfverweigerern aufgebrummte Strafen zu vielen Einsprüchen und Gerichtsverfahren führen werden. Salzburgs SPÖ-Chef David Egger plädiert für eine Verschiebung der Impfpflicht und will „einem handwerklichen Impfpflicht-Pfusch“ im Bundesrat (Länderkammer) seine Zustimmung verweigern. Auch der Tiroler SPÖ-Vorsitzende Georg Dornauer fordert, vor dem Impfpflicht-Beschluss das Ende der Omikron-Welle abzuwarten.
Weiter uneingeschränkt für die Impfpflicht sind nicht zuletzt SPÖ-Frauen, die Solidarität mit Rendi-Wagner üben wollen. Vorarlbergs Landesparteichefin Gabriele Sprickler-Falschlunger und ihre oberösterreichische Kollegin Birgit Gerstorfer erinnern die Partei an „das Glück, dass wir eine ausgewiesene Expertin als Parteichefin haben“.
Umfrage-Plus verpufft
Dass es nicht nur um die Impfpflicht, sondern auch um Rendi-Wagner geht, wird am deutlichsten im Burgenland, wo die SPÖ schon offen darüber diskutiert, die Zahlungen an die Bundespartei einzustellen. Landesgeschäftsführer Roland Fürst sprach offen von „extrem verärgerten“ Parteimitgliedern, welche „die Bundesparteivorsitzende nicht mehr unterstützen“ wollten. Er bestritt zwar Pläne für einer Abspaltung nach dem Vorbild der bayrischen CSU von der Bundes-SPÖ, bestätigte aber die Forderung von Funktionären, das für die Überweisung an die Wiener Zentrale vorgesehene Drittel der Mitgliedsbeiträge einzubehalten.
Der interne Streit hat eine wenig überraschende Konsequenz: Unmittelbar nach den ÖVP-Turbulenzen im Zuge des Abganges von Kanzler Kurz war die SPÖ in den Umfragen Anfang Dezember mit den Christdemokraten gleichgezogen, in einigen sogar auf die Überholspur gegangen. Der Effekt ist jedoch mittlerweile verpufft. Die ÖVP konsolidiert sich unter Kanzler Nehammer – wenn auch auf niedrigem Niveau bei etwa 25 Prozent –, während die Genossen schon wieder die Luft nach oben ausgeht. Die SPÖ kann froh sein, dass heuer außer der Bundespräsidentenwahl im November keine wichtigen Urnengänge auf dem Terminkalender stehen.
- Luxemburg-Stadt erwirbt Wohnungen für mehr als 66 Millionen Euro - 28. März 2024.
- BMS meldet in fünf Jahren zwölf Vorfälle der Polizei - 28. März 2024.
- Attal va limiter l’indemnisation du chômage - 28. März 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos