Post-Brexit-AbkommenNur noch einige Tage Zeit zum Verhandeln, danach wird es kompliziert

Post-Brexit-Abkommen / Nur noch einige Tage Zeit zum Verhandeln, danach wird es kompliziert
Bis zum Wochenende werden EU-Chefverhandler Michel Barnier und seine Leute in London noch mit den Vertretern der britischen Regierung verhandeln Foto: AFP/Tolga Akmen

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Bis zum Wochenende müsste eine Einigung in den Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien über ihre künftigen Beziehungen gefunden werden, wenn es nicht zu weiteren Schwierigkeiten kommen sollte, sagte uns gestern der luxemburgische EU-Parlamentarier Christophe Hansen. Und noch immer steht die Frage im Raum, ob überhaupt ein Abkommen zustande kommt.

Die Äußerungen der letzten Tage über die Chancen einer Einigung über die Post-Brexit-Beziehungen schwanken zwischen vorsichtiger Zuversicht und nüchterner Skepsis. Selbst der im Zentrum des Sturms sitzende EU-Chefunterhändler Michel Barnier hat Nachrichtenagenturen zufolge am Mittwoch gegenüber den EU-Mitgliedstaaten erklärt, er könne nicht sagen, ob es noch zu einem Abkommen kommen werde. Wie bereits seit Wochen werden die kommenden Tage entscheidend sein. Wobei es diesmal aus rein technischen Gründen so sein wird. Denn mit dem nahenden Ende der Übergangsperiode am 31. Dezember werden die Tage knapper, während denen die formalen Aspekte des Abkommens abgewickelt werden können.

„Dieses Wochenende läuft die letzte Frist ab“, sagte uns gestern der EVP-Politiker Christophe Hansen, der als zuständiger Berichterstatter im EP in regelmäßigem Kontakt mit Michel Barnier steht. Denn der Rat brauche mindestens 25 Tage Zeit, um ein eventuelles Abkommen für den Instanzenweg vorzubereiten. Neben dem britischen Unterhaus muss auch noch das Europäische Parlament (EP) über den Vertragstext abstimmen. Und die EP-Abgeordneten haben noch diese Woche gewarnt, dass sie sich Zeit nehmen wollten, um sich eingehender mit der Vereinbarung zu befassen. Doch haben sie auch ihre Bereitschaft bekundet, noch kurz vor Jahresende eine Sondersitzung einzulegen, um das Abkommen zu ratifizieren.

Um Zeit zu sparen, werde daher darüber nachgedacht, das Abkommen nur in englischer Sprache vorzulegen und zu verabschieden. Immerhin wird anhand englischer Textvorlagen verhandelt. Die Übersetzung in die anderen 23 Amtssprachen der EU ist hingegen zeitaufwendig, zumal sich noch Rechtslinguisten mit den einzelnen Textfassungen befassen müssen. „Prozedural wäre es dann noch zu schaffen“ fristgerecht fertig zu werden, hofft Christophe Hansen. Doch offensichtlich hat Frankreich bereits Bedenken gegen eine ausschließlich englische Version des Abkommens angemeldet.

Theoretisch gebe es noch eine andere Möglichkeit, die verbleibende Zeit bis zum Äußersten auszureizen. Beide Parteien könnten vereinbaren, das Abkommen nur provisorisch ab dem 1. Januar 2021 anzuwenden. Dagegen hätten sich aber bereits das Parlament sowie die EU-Kommission ausgesprochen, so der luxemburgische EP-Abgeordnete weiter. Immerhin wären damit „immense Rechtsunsicherheiten verbunden“, warnte er.

Keine Ratifizierung mit Binnenmarktgesetz

Doch neben den Streitpunkten in den Verhandlungen, die nach wie vor die gleichen sind – Zugang für EU-Fischer zu britischen Gewässern, Garantien für einen fairen Wettbewerb (sogenanntes „level playing field“) sowie die Regulierung der künftigen Beziehungen –, besteht ein weiteres Hindernis. Und es könnte noch eines hinzukommen. So hat die britische Regierung ein Binnenmarktgesetz auf den Instanzenweg gebracht, das vorsieht, dass sie die im Brexit-Vertrag enthaltene Regelung zur nordirischen Grenze aushebeln kann und dort wieder Zollschranken errichtet werden können. Was beide Seiten wegen der Gefahr neuer Konflikte in der Region eigentlich verhindern wollten. Was einem Bruch des EU-Austrittsabkommen gleichkommt. Nun soll die Regierung in London kommende Woche ein Finanzgesetz vorlegen, das, so wird befürchtet, ebenfalls zum Teil im Widerspruch zum Brexit-Vertrag steht. Wenn es so sein sollte, wäre das „die eigentliche Erklärung, dass sie kein Abkommen wollen“, meint Christophe Hansen. Die EU-Parlamentarier haben jedoch bereits angekündigt, dass sie schon allein wegen des Binnenmarktgesetzes das Post-Brexit-Abkommen nicht ratifizieren werden.

Es gebe nur noch ein kleines Zeitfenster bis zum Wochenende, um das Abkommen sauber über die Bühne zu bringen, fasst der luxemburgische EP-Abgeordnete zusammen. Was über diese Frist hinausgehe, bringe einen „prozeduralen Harakiri“ mit sich, so Christophe Hansen. Sollte über das Wochenende hinaus weiter verhandelt werden, dürfte sich auch der kommende Woche in Brüssel stattfindende EU-Gipfel wieder ausführlicher mit dem Thema beschäftigen.