PolenNun gehört auch Jaroslaw Kaczynski der neuen Regierung als Vize-Premierminister an

Polen / Nun gehört auch Jaroslaw Kaczynski der neuen Regierung als Vize-Premierminister an
Jaroslaw Kaczynski hat nun doch ein Regierungsmandat übernommen Foto: AFP/KPRP/Handout/Grzegorz Jakubouski

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Am Ende ging es trotz Corona im neuen polnischen Kabinett von Mateusz Morawiecki ganz schnell. Anstatt wie angekündigt die Vereidigung der neuen Regierung zu verschieben, wurden am Dienstag all jene Minister eingesetzt, die weder Corona-infiziert noch in Quarantäne sind. 12 von 14 Ministerien konnten so besetzt werden.

Die wichtigste Neuerung bei der zweiten Regierungsumbildung seit dem PiS-Wahlsieg vor Jahresfrist ist der Regierungseintritt Jaroslaw Kaczynskis. Der Regierungsparteichef wird nun Vize-Regierungschef und soll als solcher die Arbeit der sogenannten Machtressorts – Verteidigung, Inneres und Justiz – koordinieren. Polens mächtigster Mann tritt damit aus dem Schatten und wird ein Super-Minister in Mateusz Morawieckis neuem Kabinett. Der bisherige Regierungschef Morawiecki übernimmt neu neben der Leitung der Regierung auch das Ressort für Online-Verwaltung. Denn die Anzahl der Ministerien wurde von vormals 20 auf 14 reduziert. „Wir werden effektiver und unbürokratischer regieren“, sagte der alt-neue Regierungschef am Dienstagmittag. Dies erlaube es Polen, schneller aus der Corona-Wirtschaftskrise wieder auf den Wachstumspfad zurückzufinden.

„Es ist ein historischer Moment“, freute sich Staatspräsident Andrzej Duda nach der Überreichung der Ernennungsurkunde an Kaczynski. Trotz Corona-Krise ließ er es sich nicht nehmen, den Mundschutz abzunehmen und Kaczynski die Hand zu geben. Diese Ehre wurde keinem anderen Minister zuteil.

Die Regierungsumbildung folgte nach wochenlangen Verhandlungen über einen neuen Koalitionsvertrag zwischen Kaczynskis großer Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS, 197 Abgeordnete) und dessen beiden kleinen Koalitionspartnern, Jaroslaw Gowins rechtsliberaler „Verständigung“ (20 Abgeordnete) sowie Zbigniew Ziobros populistischer Mini-Partei „Solidarisches Polen“ (17 Abgeordnete). Bis zuletzt war die Zukunft Ziobros unklar. Der rechte Heißsporn Ziobro amtet nun auch im neuen Kabinett als Justizminister, allerdings mit leicht beschnittenen Kompetenzen. Gowin, der im Sommer aus Protest gegen die geplante reine Briefwahl als Wissenschaftsminister zurückgetreten war, tritt dem Kabinett erneut bei, diesmal als Regionalentwicklungsminister.

Morawieckis Einfluss wird sinken

Neben Kaczynski wurde am Dienstagmittag einzig Krzysztof Puda (Landwirtschaft) als neuer Minister berufen. Denn der umstrittene neue Bildungsminister Przemysla Czarnek war nach seiner Corona-Infektion von der Feier ausgeschlossen worden. Er soll nach seiner Genesung vereidigt werden. Bei der Feier fehlte auch der zweite mächtige PiS-Vizeregierungschef und Schatzminister Jacek Sasin, der in der Corona-Quarantäne weilt.

Nach Zusammenlegungen mit mehr Kompetenzen ausgestattet und deshalb von Duda erneut berufen wurden auch Familienministerin Marlene Malag und Umweltminister Michal Kurtyka (beide PiS). Zwölf Ministerien fallen damit der PiS zu und nur noch jeweils eines den beiden Koalitionspartnern. Die PiS stellt mit Kaczynski auch drei der insgesamt fünf Vize-Premiers.

Kaczynskis Regierungseintritt schien bis zuletzt unklar, gilt der PiS-Parteichef doch als ausgesprochener Morgenmuffel, dem nichts an Ämtern, Ehre und Verpflichtungen liegt. Bisher hatte sich der PiS-Chef als Schattenmann im Hintergrund gehalten, jedoch de facto eigenmächtig die meisten Minister ein- und wieder abberufen. Nun dürfte Morawieckis Einfluss als PiS-Regierungschef weiter sinken, denn die Minister werden sich bei den Kabinettssitzungen eher am Parteichef Kaczynski ausrichten als am jederzeit von ihm absetzbaren Regierungschef. Kompromisse und Teamwork gelten bei PiS ohnehin wenig, Loyalität zur Parteiführung hingegen alles.

Neue Front im Dauerstreit mit Brüssel

Das neue Kabinett soll die umstrittene Justizreform abschließen und ein neues Mediengesetz auflegen. Letzteres soll Verlage mit ausländischer Mehrheitsbeteiligung „zurück in polnische Hände“ führen, vermutlich über ein neues Anti-Monopol-Gesetz, das feindliche Übernahmen durch Staatsfirmen erlauben könnte. Damit würde PiS neben dem Rechtsstaatsstreit eine zweite Front im Dauerstreit mit Brüssel eröffnen. Betroffen wären in erster Linie regierungskritische Medien mit deutscher Mehrheitsbeteiligung wie die Neue Passauer Presse oder Ringier Axel Springer Polska (RASP), die mit der Boulevardzeitung Fakt und dem Nachrichtenmagazin Newsweek einflussreiche Presseerzeugnisse herausgeben.

Kaczynskis Regierungseintritt hat in der Opposition auch die Hoffnung auf eine baldige neue Regierungskrise analog zur ersten Kaczynski-Regierung 2007 genährt. Damals hatte sich Kaczynski als Regierungschef schnell mit allen seinen Koalitionspartnern überworfen und schließlich siegessicher anberaumte, vorgezogene Neuwahlen verloren. Nun wird Kaczynski zugeschrieben, er solle nur den rechtspopulistischen Heißsporn Ziobro als „Machtressort“-Koordinator kontrollieren. Doch PiS-Gründer und -chef Kaczynski ist nicht der Politiker, der sich irgendetwas vorschreiben lässt, schon gar nicht vom Premierminister.