ItalienNicht nur Rom wählt links –  Mitte-links-Parteien sind deutliche Gewinner der Kommunalwahlen

Italien / Nicht nur Rom wählt links –  Mitte-links-Parteien sind deutliche Gewinner der Kommunalwahlen
Roms neuer Bürgermeister Gualtieri (M.) feiert zusammen mit Pd-Chef Letta (l.) Foto: AFP/Andreas Solaro

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Italiens Hauptstadt wird künftig sozialdemokratisch regiert. Die Ära der erfolglosen Fünf-Sterne-Bürgermeisterin Virginia Raggi ist damit beendet. Doch Roms Probleme sind nicht gelöst.

Es deutete sich schon im ersten Durchgang der diesjährigen Kommunalwahlen an. Das italienische Wahlvolk wendet sich nach einem überschwänglichen Exkurs von der Fünf-Sterne-Bewegung ab und der traditionellen Demokratischen Partei (Pd) zu. Auch die Mitte-rechts-Bündnisse von Lega, Fratelli d’Italia (FdI) und Forza Italia mussten in etlichen Kommunen deutliche Schlappen hinnehmen.

Bereits in der ersten Runde waren Mailand und Neapel deutlich an Mitte-links gegangen. Nun folgten in den Stichwahlen zu diesem Wochenbeginn auch die Hauptstadt Rom und die Nordmetropole Turin. Auch in zahlreichen Provinzhauptorten konnten sich die Vertreter der Sozialdemokratie und anderer links orientierter Bündnisse erfolgreich durchsetzen.

Ob dies jetzt einen generellen Linksruck für Italien bedeutet, ist derzeit noch nicht abzusehen. Denn obgleich Pd unter dem neuen Generalsekretär Enrico Letta deutlich an Sympathiepunkten gewonnen hat, sind die rechten und Rechtsaußen-Parteien derzeit die stärksten politischen Kräfte im Land. Im Vorfeld der Wahl hatte Mitte-rechts-Kandidat Enrico Michetti – der mit den Impf- und Coronapass-Gegnern sympathisierte – in Rom erklärt, der faschistische „saluto romano“ (dem Hitlergruß entsprechend) sei „hygienischer als der Covid-Gruß mit dem Ellenbogen“. Mehrfach war Michetti auch mit antisemitischen Äußerungen in die Kritik geraten.

Die postfaschistischen FdI haben die Lega derweil als bislang stärkste rechtspopulistische Kraft überholt. Wären am kommenden Wochenende Wahlen, käme die Partei von Giorgia Meloni auf 21,2 Prozent. Die Lega fällt auf 19,4 Prozent in der Wählergunst zurück, gleich gefolgt von Pd mit 19,2 Prozent. Silvio Berlusconis Forza Italia liegt bei sieben Prozent. In der Summe hätte ein Mitte-rechts-Bündnis 47,4 Prozent und nach dem aktuell geltenden Wahlgesetz mit einem parlamentarischen Bonus eine deutliche Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Dieses wird jedoch derzeit noch von den Fünf Sternen dominiert – doch die sinken unaufhörlich und liegen derzeit nur noch bei 16,5 Prozent.

Rom in ruinösem Zustand

Das Vertrauen in die Protestbewegung ist enorm gesunken. Die Art, wie Virginia Raggi die Hauptstadt (nicht) regiert hat, trägt sowohl zum Wahldebakel als auch zum allgemeinen Niedergang von M5S bei. Angefangen von Skandalen in den eigenen Reihen, bei denen verschiedenste Stadtbedienstete ihren Stuhl räumen mussten, bis hin zu den ungelösten katastrophalen kommunalen Zuständen zeigte die Sterne-Bewegung, dass sie nicht in der Lage war, die Drei-Millionen-Metropole zu lenken.

Seit langem hat die Hauptstadt ein verheerendes Müllproblem. Sie verfügt über keine eigene Müllverbrennungsanlage, die Deponien liegen weit außerhalb im Umland. Der Anteil der Mülltrennung ist unter 50 Prozent gesunken mit dem Ergebnis, dass in den Deponien dann doch wieder alles zusammengeworfen wird. In ebenso desaströsem Zustand befindet sich die städtische Infrastruktur. Medienberichterstatter appellieren schon witzelnd an Autofahrer: „Vorsicht bei Schlaglöchern, es könnten Kinder darin spielen!“

Die Parks, wie die Villa Borghese, verrotten, weil es zu wenig Personal für ihre Pflege gibt. Der Zustand, in dem sich die Nahverkehrsmittel befinden, macht eine Fahrt mit ihnen zum Abenteuer. Mehrfach gingen in der jüngsten Vergangenheit Busse wegen defekter Kraftstoffleitungen in Flammen auf. In Stoßzeiten kommt der innerstädtische Verkehr nahezu zum Erliegen. Ein Erbe, das der nun gewählte Pd-Bürgermeister Roberto Gualtieri antreten und bewältigen muss.