ÖsterreichNeue Turbulenzen in Tirol – fragwürdige PCR-Tests und falscher Fluchtvarianten-Alarm

Österreich / Neue Turbulenzen in Tirol – fragwürdige PCR-Tests und falscher Fluchtvarianten-Alarm
Legten falsche Tests Tirol lahm? Auch politisch ist die Affäre noch nicht abgeschlossen. Foto: AFP/Joe Klamar

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Ironie des Tiroler Corona-Dramas: Die anfangs wegen Verharmlosung der viralen Bedrohung kritisierte Landesregierung bringt nun ausgerechnet ein Fehlalarm in Turbulenzen.

Ganz Tirol wurde zum Hochrisikogebiet erklärt, Deutschland verhängte Grenzkontrollen, erst auf Druck der Wiener Regierung führte Innsbruck dann selbst Ausreisetestkontrollen durch. Im Februar und März war das Tourismusland wieder dort, wo es vor einem Jahr schon war: in den internationalen Schlagzeilen. Schon wieder die Tiroler!

Die, die im Februar 2020 in Ischgl zu lange weggeschaut hatten, auf dass der Wintersportrubel möglichst lange rolle. Den Imageschaden hatte das Urlaubsmekka nicht zuletzt den ungeschickten Medienauftritten seines Gesundheitslandesrates Bernhard Tilg zu verdanken. Der ÖVP-Politiker nervte das Publikum mit dem durch spätere Untersuchungen widerlegten Mantra, man habe alles richtig gemacht.

Am Montag wurde Tilg durch die Gesundheitsmanagerin Annette Leja ersetzt. Dem engen Freund von Landeshauptmann Günter Platter wurde allerdings nicht das verharmlosende Pandemie-Management des vergangenen Jahres zum Verhängnis, sondern die Fluchtmutante B1.1.7.-E484K. Die hatte im Februar Alarmstufe Rot ausgelöst, war aber, wie sich nun herausstellt, gar nicht so verbreitet wie damals erhoben.

Mittlerweile wird nämlich das Ergebnis von Hunderttausenden PCR-Tests bezweifelt, welche die Firma HG Pharma durchgeführt hatte. Bei zahlreichen Kontrolltests fand die staatliche Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) nämlich heraus, dass in der Vorsequenzierung die mit bisherigen Impfstoffen weniger gut bekämpfbare und deshalb Fluchtmutation genannte B1.1.7.-E484K-Variante fälschlicherweise detektiert worden war.

Falsch positive Tests und ein dubioser ÖVP-Freund

Schlimm genug, wenn Laborfehler dramatische Konsequenzen für ein ganzes Bundesland nach sich ziehen. Doch die Causa ist auch ein Politikum. Denn die HG Pharma stand schon vor Bekanntwerden der fragwürdigen Testergebnisse in der Kritik. Und mit ihr die Landesregierung, die den Auftrag im Umfang von acht Millionen Euro ohne öffentliche Ausschreibung vergeben hatte.

Ob Bund oder Länder: Wo ÖVP draufsteht, ist Corona-Missmanagement drin

Christian Deutsch, SPÖ-Bundesgeschäftsführer

Firmengründer Ralf Herwig ist gut vernetzt in Tirol und auch in Wien kein Unbekannter. Seit 2016 ist er im „Kitzbühel Country Club“ als Experte für Zellenergie und Urologie engagiert, der Chef des Clubs, Richard Hauser gehört der „Adlerrunde“ an, einem ÖVP-nahen Verein von Tiroler Unternehmergranden. Dabei gibt es an Herwigs fachlicher Kompetenz erhebliche Zweifel. Im vergangenen Oktober erhob die Staatsanwaltschaft Wien Anklage wegen schwerer Körperverletzung und Betrugs. Der Arzt steht im Verdacht, fünf Männer mit Erektionsproblemen nicht dem Stand der Wissenschaft entsprechend behandelt zu haben. Zudem läuft ein Verfahren wegen einer von ihm propagierten Wunderarznei, die bei Krebs, Autismus und sogar Corona helfen soll. Jetzt wird angezweifelt, ob Herwig als Urologe überhaupt qualifiziert war, die PCR-Tests in Tirol durchzuführen.

Herwig weist alle Vorwürfe und jeden Zweifel an seiner Arbeit zurück. Es habe keine falsch positiven PCR-Tests gegeben, sondern nur Vorwarnungen, die bestätigt werden oder eben nicht. Das sei „ein ganz normaler Vorgang“. Dennoch gab Herwig am Montag den Rückzug aus dem operativen Geschäft seiner Firma bekannt.

Politisch ist die Affäre mit dem Rücktritt des Gesundheitslandesrates noch nicht abgeschlossen. Die Opposition schießt sich nicht nur in Tirol auf die Partei von Kanzler Sebastian Kurz ein: „Ob Bund oder Länder: Wo ÖVP draufsteht, ist Corona-Missmanagement drin“, wetterte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch.