RusslandNawalnys Kriegserklärung an den Kreml – Rückkehr am Sonntagabend geplant

Russland / Nawalnys Kriegserklärung an den Kreml – Rückkehr am Sonntagabend geplant
„Holt mich ab“: Nawalny ruft seine Anhänger per Video auf, ihn am Sonntag zu empfangen Foto: dpa/Nawalnys Instagram-Account

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Nawalnys Anhänger wollen dem Oppositionspolitiker nach Russland am Sonntagabend einen feierlichen Empfang bereiten. Eine offizielle Reaktion Moskaus steht noch aus. 

Der Name der Fluglinie, mit der Alexej Nawalny am Wochenende nach Russland zurückkehren will, ist vielsagend: „Pobeda“ heißt sie, „Sieg“. Das Flugzeug aus Berlin soll am Sonntag um 19.20 Uhr Ortszeit am Moskauer Flughafen Wnukowo landen. „Holt mich ab“, ruft Nawalny seine Anhänger per Video am Mittwoch auf. Er selbst habe nie an seiner Heimkehr gezweifelt, sagt der 44-Jährige in dem kurzen Clip. Nawalny steht im Freien, wirkt ausgeruht und angriffslustig. „Nach Deutschland zu reisen war nicht meine Wahl. Ich bin hier, weil man mich umbringen wollte.“

Zweifelsohne wird Nawalnys Rückkehr von seinen Anhängern als Triumph gefeiert werden, nachdem es unmittelbar nach seiner Nowitschok-Vergiftung und dem Krankentransport nach Deutschland kaum zu Solidaritätskundgebungen gekommen ist. Nawalnys Mitstreiter haben zu einem Willkommens-Treffen am Flughafen gerufen; auch Dutzende Journalisten werden erwartet.

Für den Kreml ist Nawalnys Ankündigung eine Kriegserklärung. Moskaus Taktik der Abschreckung ist gescheitert. Russische Behörden hatten zuletzt in verstärktem Maß versucht, die Heimkehr des Oppositionspolitikers durch Androhung von Zwangsmaßnahmen zu verhindern. Nawalny war im August Opfer eines Giftattentats geworden, in das journalistischen Recherchen zufolge mehrere Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes FSB verwickelt sind. Moskau streitet den Angriff trotz erdrückender Indizien ab und spricht stattdessen von einer geheimdienstlichen Verschwörung der USA. Für das Ausland mag diese Version unglaubwürdig klingen, jedoch hat man mit Desinformation einen Teil des einheimischen Publikums überzeugen können.

Rückkehr zwingt Putin zu Reaktion

Insbesondere seit dem veröffentlichten Telefongespräch Nawalnys mit einem mutmaßlichen Mitorganisator des Anschlags kurz vor Weihnachten erhöhten die Behörden den Druck gegen den Aktivisten. Die Strafvollzugsbehörde will ihn nun wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen eines Urteils von 2014 ins Gefängnis bringen.

Nawalny habe sich nicht wie vorgeschrieben bei den Behörden gemeldet, hieß es, weshalb ihm nun eine Gefängnisstrafe drohe. Dass Nawalny den Termin wegen seiner Genesung nicht einhalten konnte, ignoriert man geflissentlich. Außerdem ist ein weiteres Strafverfahren wegen mutmaßlichen Betrugs in Vorbereitung.

Russische Beobachter warten nun gespannt auf die Reaktion des Kreml, der gestern zu den neuen Entwicklungen schwieg. Präsident Wladimir Putin hat mit einem Dilemma zu kämpfen. Eine sofortige Festnahme Nawalnys bei der Einreise könnte angesichts des zu erwartenden Menschenauflaufs schwierig werden. Zögert Putin aber länger, würde man ihm das als Schwäche auslegen.

Wie der Kreml indes die Heimkehr interpretiert, ist unmissverständlich. Der Kreml-nahe Experte Sergej Markow sprach von einer „Provokation“ Nawalnys, die entweder die Beziehungen zu Europa oder innerhalb der russischen Gesellschaft verschlechtern werde. Der Oppositionspolitiker wolle Chaos bei der Duma-Wahl im Herbst säen, kommentierte Markow weiter. Wie auch immer die Konfrontation enden wird: Mit seiner Rückkehr positioniert sich Nawalny eindrücklich als furchtloser Herausforderer Putins, den er zu einer Reaktion zwingt.