BrüsselNato ringt um Rettung aus Kabul – doch einen gemeinsamen Plan gibt es nicht

Brüssel / Nato ringt um Rettung aus Kabul – doch einen gemeinsamen Plan gibt es nicht
„Arbeiten sehr hart“: Ein niederländischer Evakuierungsflug bei seiner Rückkehr nach Amsterdam Foto: AFP/Koen van Weel

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Die Alliierten bekennen sich zu Hilfe bei der Evakuierung aus Afghanistan – doch einen gemeinsamen Plan gibt es nicht. Auch das Ende der Hilfsaktion ist unklar.

Die Nato hat auch fünf Tage nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan keinen Plan für eine Lösung der militärischen und humanitären Krise. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach am Freitag von einer „unvorhersehbaren Tragödie“ und versuchte, den Taliban die alleinige Verantwortung in die Schuhe zu schieben.

„Wir erwarten von den Taliban, dass sie allen ausländischen Staatsangehörigen und Afghanen, die das Land verlassen wollen, die sichere Ausreise ermöglichen“, sagte Stoltenberg nach einer zweistündigen Krisensitzung der Außenminister der Nato-Staaten. Es sei die „höchste Priorität“, Menschen in Sicherheit zu bringen.

„Die größte Herausforderung ist es, die Menschen in die Flugzeuge zu bringen“, so Stoltenberg. Derzeit stünden am Flughafen von Kabul mehr Flieger zum Abflug bereit als Hilfsbedürftige. Die Türkei, die USA und Großbritannien leisteten hervorragende Arbeit, um den Airport zu sichern. Die Nato sei mit 800 Vertragskräften vor Ort.

Keine Rede von gemeinsamer Operation

Einen Plan für die weitere Evakuierung gibt es jedoch offenbar immer noch nicht. In einer gemeinsamen Erklärung bekennen sich die 30 Außenminister der Allianz zwar zur Hilfe „für unsere Bürger, Staatsangehörige von Partnerstaaten und gefährdete Afghanen“. Von einer gemeinsamen Nato-Operation ist jedoch nicht die Rede.

Mehrere Alliierte hätten den Wunsch geäußert, die Rettungsaktion zu verlängern, sagte Stoltenberg. Die USA wollten ihre militärische Hilfsaktion aber nur bis zum 31. August fortsetzen und dann beenden. Ausweichend reagierte er auch auf Fragen nach den Aufnahmekapazitäten für afghanische Hilfskräfte und Schutzbedürftige, etwa Frauen und Kinder.

Jens Stoltenberg, Nato-Generalsekretär, spricht am Freitag während einer Online-Pressekonferenz nach einer Videokonferenz der Nato-Außenminister zu den Entwicklungen in Afghanistan im Nato-Hauptquartier
Jens Stoltenberg, Nato-Generalsekretär, spricht am Freitag während einer Online-Pressekonferenz nach einer Videokonferenz der Nato-Außenminister zu den Entwicklungen in Afghanistan im Nato-Hauptquartier Foto: dpa/Francisco Seco

„Wir arbeiten sehr hart daran, gefährdete Afghanen an Bord der Flugzeuge zu bekommen“, sagte Stoltenberg. Wie dies geschehen soll – etwa mithilfe von Hubschraubern, wie sie nun auch die Bundeswehr einfliegt – sagte er nicht. Auch zur Frage von Auffanglagern etwa in Polen oder im Kosovo äußerte er sich ausweichend.

Eine klare Warnung ging an die Taliban. Man habe 20 Jahre lang erfolgreich verhindert, dass Afghanistan zu einem sicheren Rückzugsort für die Planung von Terror-Anschlägen werde. Man werde Bedrohungen durch Terroristen auf künftig nicht zulassen und sei entschlossen, den Kampf gegen Terrorismus fortzusetzen.

Kaum Antworten auf Fragen

Die Taliban müssten ihre „internationalen Verpflichtungen“ erfüllen, forderte Stoltenberg. Er verwies auf die Verhandlungen, die die afghanischen Islamisten unter Ex-Präsident Donald Trump mit den USA geführt hatten und behauptete, die Ergebnisse dieser Gespräche hätten weiter Gültigkeit.

Auf Kritik, dass die USA den Taliban einen Blankoscheck ausgestellt hätten, um ihre Truppen unbehelligt aus Afghanistan abziehen zu können, ging er nicht ein. Nach dem US-Abkommen vom Februar 2020 habe die Nato keine andere Option gehabt, als abzuziehen, sagte er. Schließlich hätten die Amerikaner den Einsatz ja auch begonnen.

Offen blieb nach der Videokonferenz, ob und wie die Nato ihr eigenes Scheitern aufarbeiten wird. In der Nato-Erklärung heißt es lediglich: „Gemeinsam werden wir unser Engagement in Afghanistan umfassend reflektieren und die notwendigen Lehren ziehen.“ Stoltenberg kündigte eine „eingehende Untersuchung“ an – konnte jedoch nicht sagen, wie diese aussehen soll.