„Dzo Bagerista“Namensgeber der serbischen Baggerrevolution stirbt verarmt, verbittert – und ungebrochen

„Dzo Bagerista“ / Namensgeber der serbischen Baggerrevolution stirbt verarmt, verbittert – und ungebrochen
„Dzo Bagerista“ unterstützte auch die Demonstranten, die am Freitag vor dem serbischen Parlament protestierten Foto: AFP/Oliver Bunic

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Auch sein letzter Weg führte den Namensgeber von Serbiens sogenannter Baggerrevolution zum Protest gegen Willkürherrschaft und Machtmissbrauch: Mit „Baggerführer Joe“ ist das Symbol des Sturzes von Slobodan Milosevic am Wochenende in Belgrad verarmt und verbittert, aber ungebrochen gestorben.

Auch an seinem letzten Lebenstag hatte sich der kleine Mann mit dem großen Kämpferherzen zur Demonstration gegen Machtmissbrauch und Willkürherrschaft vor Serbiens Parlament aufgemacht. Man müsse der Jugend helfen, die „Bösewichte“ zu stürzen, hatte der 77-jährige Ljubisav Djokic am Freitagabend seinen Protesteinsatz gegen Serbiens allgewaltigen Landesvater Aleksandar Vucic und dessen nationalpopulistische Regierung begründet: „Die taugen nichts – und müssen schnell in der Vergessenheit verschwinden.“

In Vergessenheit wird der in der Nacht zum Samstag verstorbene Demo-Veteran selbst kaum geraten. Als „Dzo Bagerista – Baggerführer Joe“ ging der seit seiner Kindheit behinderte Djokic am 5. Oktober 2000 in Serbiens Annalen ein. Hunderttausende seiner Landsleute hatten sich damals nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen zum Sturz des verhassten Autokraten Slobodan Milosevic in die Hauptstadt aufgemacht: Der Namensgeber der sogenannten „Baggerrevolution“ macht ihnen mit seinem Radlader-Koloss den Weg frei.

Von seinem kleinen Schotterwerk im Vorort Cukarica war der Mann mit dem verwachsenen Rücken auf Bitten der Opposition mit seinem Schaufelgefährt schon am Vorabend ins Zentrum gerollt. Der Geheimdienst habe von seinem geplanten Demo-Einsatz erfahren – und ihn verhindern wollen, erzählte Djokic zehn Jahre später, im Jahr 2010, dem Tageblatt: „Es ging um Leben und Tod. Sie wollten mich töten. Aber ein Bagger fährt nicht von allein: Einer musste ihn steuern.“

Spendenaufruf für Bestattung

Tränengasschwaden zogen durch die Innenstadt, als Ljubislav mit seinem mit Protestplakaten beklebten Bagger die Beton-Blockaden vor dem Parlament beiseiteschob – und den Weg zu dessen Erstürmung freimachte. Schüsse peitschten durch das Cockpit des „International 530“ und zerfetzten die Schulterklappen seiner Jacke, als er seinen Bagger mit zerschossenen Reifen in Richtung des staatlichen RTS-Fernsehen steuerte: „Wäre ich damals erschossen worden, hätten sie mir ein Denkmal errichtet.“

Die von ihm damals erhoffte Zeitenwende blieb aus. Es sei in Serbien nur zu „kosmetischen Veränderungen an der Oberfläche“ gekommen, klagte er später gegenüber dem Tageblatt verbittert. Stattdessen hatte Djokic, der sich 2014 vergeblich um Asyl in Deutschland bemühte, bis zu seinem Tode 30 Prozent seiner kargen Rente von rund 200 Euro für die von seinem Bagger beim Milosevic-Sturz angerichteten Schäden abzustottern: Weil seine Frau Dragana die Beerdigung nicht bezahlen kann, haben seine Freunde in Serbiens Webwelten nun zu Spenden für die Bestattung von „Dzo Bagerista“ aufgerufen.