Pandemie und PolitikLuxemburg macht sich (wahrscheinlich) etwas lockerer – gegen den Rat der Wissenschaft?

Pandemie und Politik / Luxemburg macht sich (wahrscheinlich) etwas lockerer – gegen den Rat der Wissenschaft?
So kleine Schritte: Der Premierminister will beim Runterregeln der Maßnahmen auf Sicht fahren – und keinen fixen Fahrplan, wie er in Frankreich gilt Foto: Editpress/Julien Garroy

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Am Mittwoch wird der Regierungsrat wohl weitere Lockerungen der Pandemie-Maßnahmen erklären – obwohl die Inzidenzen in Luxemburg keinen klaren Trend nach unten zeigen. Hört die Politik überhaupt noch auf die Wissenschaft? Möglicherweise etwas weniger, glaubt ein Forscher – und findet das auch ganz gut so: Eine vorsichtige Öffnung könne durchaus Sinn ergeben. Allerdings ist dazu derzeit noch ein leicht selektiver Blick auf die Datenlage nötig.

Dass Xavier Bettel am Mittwoch (5. Mai) Lockerungen der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie erklären wird, gilt als sicher – schließlich hat er sich selbst entsprechend geäußert. Damit befindet sich der Luxemburger Premierminister in guter Gesellschaft: Viele europäische Nachbarn wie Belgien und die Niederlande  haben sich auf einen vorsichtigen Lockerungskurs begeben. Und auch Frankreich steigt aus seinem strengen Lockdown aus, der sogar tagsüber die Bewegungsfreiheit der Bewohner beschnitten hat. Jetzt steigt der Bewegungsradius wieder und auch Schulen kehren wieder zum Präsenzunterricht zurück. Für weitere Lockerungen gibt es einen Ablaufplan: Zum 19. Mai soll etwa der Beginn der landesweiten Ausgangssperre von 19 Uhr auf 21 Uhr verlegt werden. Zum 9. Juni soll die Sperrstunde dann erst um 23 Uhr beginnen. 

Solch einen Fahrplan wird es für Luxemburg allerdings nicht geben. Das erklärte Bettel ausdrücklich am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem EU-Kommissar für den Binnenmarkt, Thierry Breton, und dem französischen Staatssekretär für Europafragen, Clément Beaune, die sich zu Besuch in Luxemburg aufgehalten hatten.

Luxemburg werde stattdessen seine „Politik der kleinen Schritte“ fortführen – für alles andere sei die Entwicklung der Pandemie zu unvorhersagbar.

Nun wäre die Frage zu stellen, ob Lockerungen derzeit überhaupt sachlich angesagt sind. Schließlich hat die beratende Forschergruppe von „Research Luxembourg“ erst vor wenigen Tagen erklärt, dass die Lage weiterhin durchaus heikel sei: Selbst die Anzeichen für eine kurzfristige leichte Entspannung der Lage, wie sie vergangene Woche noch ausgemacht werden konnten, verflüchtigen sich derzeit wieder. „Die Seuchensituation bleibt auf einem volatilen Niveau und zunehmende soziale Interaktionen können wieder zu steigenden Fallzahlen führen“, warnen die Wissenschaftler. Hört die Politik ihnen nicht mehr zu?

Ausschnitt aus der offiziellen Statistik: Die Anzahl der belegten Intensivbetten (rot) und der normalen Betten (blau) durch Corona-Patienten in Luxemburger Krankenhäusern. Zumindest eine Linie wandert seit einem Monat wieder klar nach unten. 
Ausschnitt aus der offiziellen Statistik: Die Anzahl der belegten Intensivbetten (rot) und der normalen Betten (blau) durch Corona-Patienten in Luxemburger Krankenhäusern. Zumindest eine Linie wandert seit einem Monat wieder klar nach unten.  Grafik: Editpress

Dr. Paul Wilmes, einer der Sprecher der Covid-19-Taskforce, muss dieser Einschätzung ein Stück weit zustimmen: „Es ist sicher so, dass gesamtgesellschaftlich, aber auch in der Politik die Wissbegierde abgenommen hat“, sagt der Mikrobiologe – und erinnert sich an eine kurze Zeit, die für Menschen seines Schlags geradezu traumhaft gewesen wäre, wären die Begleitumstände nicht so dramatisch gewesen: „Wir haben ja vor rund einem Jahr eine Situation gehabt, die wohl einmalig war, sogar in der Menschheitsgeschichte: Nämlich, dass praktisch die ganze Erde mit einem Problem konfrontiert war, das nur mit Wissenschaft zu bekämpfen ist.“ In der Bedrohung durch einen weitgehend unbekannten Feind habe die Wissenschaft eine wichtige Rolle erhalten – und „geliefert“: „Ohne jetzt überheblich zu werden, muss man ja doch sagen, dass die Wissenschaft sicherlich für einen deutlich milderen Verlauf der Pandemie gesorgt hat.“ Nicht zuletzt sei hier die Tatsache zu nennen, dass in „Rekordzeit“ neue Impfstoffe entwickelt werden konnten. 

Zwar erfülle ihn schon eine gewisse Ernüchterung, wie schnell sich „die Einschätzung der Rolle der Wissenschaft wieder geändert hat“ – aber wenn etwa die Frequenz der Beratungen sicherlich abgenommen habe, sehe Wilmes das auch positiv: Schließlich habe die Unsicherheit im Wissen um die Eigenschaften des Virus und seiner Auswirkungen abgenommen, was die Politik in die Lage versetze, souveräne Entscheidungen zu treffen. „Und das ist ja auch ihre Aufgabe.“ Diese Rollenteilung sei ja gerade ein entscheidendes Merkmal der Demokratie. Und zugehört werde der Wissenschaft ganz offenbar nach wie vor – auch wenn Wilmes nicht sagen könne, welche der vielen Reports, die die Forschungslandschaft zur Verfügung stellt, jeweils in welchem Maße von der Regierung angesehen werden. Dass sie zur Kenntnis genommen werden, sei unbestreitbar. „Ich habe jedenfalls auch noch bei keiner Entscheidung der Regierung gesehen, dass es da eine große Diskrepanz zu unseren Einschätzungen gegeben hätte.“

„Täglich weniger Infektionen“?: Der Ausschnitt aus der offiziellen Statistik zeigt die Test-Positivrate, also welcher Prozentsatz aller Sars-Cov-2-Tests jeweils positiv war.
„Täglich weniger Infektionen“?: Der Ausschnitt aus der offiziellen Statistik zeigt die Test-Positivrate, also welcher Prozentsatz aller Sars-Cov-2-Tests jeweils positiv war. Grafik: Editpress

Das sei auch nicht der Fall, wenn am Mittwoch wohl Lockerungen erklärt werden, obwohl die Inzidenzen nach wie vor recht hoch sind: Schließlich ist Wilmes auch einer der Autoren eines wissenschaftlichen Artikels, in dem die Fixierung auf die reinen Fallzahlen kritisiert wird. Die Logik dahinter: Die Inzidenz erhöhe sich, wenn man mehr testet – und durch Massentests oder Schnelltests an Schulen entdecken Menschen eine Infektion, die ansonsten in vielen Fällen symptomfrei verlaufen wäre. Darum seien auch andere Faktoren zu betrachten, etwa die Situation in den Krankenhäusern.

Jean-Claude Schmit, Leiter der Gesundheitsdirektion, findet sogar: „Wir sind jetzt in einer Situation, wo das Infektionsgeschehen relativ ruhig ist.“ Das erklärte er am Dienstag (4. Mai) im Gespräch mit RTL. Es gebe „täglich weniger Infektionen“ und „eine Verbesserung in den Krankenhäusern“. 

Eine klare Aussage, die die offiziellen Statistiken allerdings nicht ganz so deutlich unterstützen: Laut aktuellem Wochenbericht (vom 28. April) lag die Test-Positivrate vom 19. bis 25. April bei 2,2 Prozent – und in der Vorwoche bei 2,08 Prozent. Die Zahl der intensivmedizinisch betreuten Menschen stieg von 33 auf 36 – womit nicht mehr 37,1 Prozent aller Intensivbetten entsprechend belegt sind, sondern sogar 39,7 Prozent. Immerhin: Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Covid-19-Patienten auf den Normalstationen von 84 auf 71, die Zahl der neu aufgenommenen Corona-Patienten von 90 auf 74. Die Zahl der aktuell Infizierten im Land sank von 2.692 auf 2.622 – und es sind auch etwas weniger Menschen in Zusammenhang mit einer Infektion gestorben, nämlich 5 statt 8. Ebenfalls eine Tatsache, die Hoffnung gibt: Im Abwasser Luxemburgs werden weniger Viren gefunden – und hier gewähren die Daten, aufgrund der biologischen Tatsachen, sogar prinzipiell einen Blick in die nähere Zukunft des Infektionsgeschehens.

Klawir
6. Mai 2021 - 18.00

Hat Frau Merkel eigentlich ihr OK gegeben? Nicht dass übermorgen die Grenzen geschlossen sind. ?

migg
5. Mai 2021 - 23.43

Eppes klengs muss een jo maachen?

d'Mim
5. Mai 2021 - 18.14

Déi meeschte Leit wëssen neischt mat sech unzefänken da sëtzen ze op der Terrass, kucken virun sech an halen d'Glas an der Hand.

Mus ich mich sorgen?
5. Mai 2021 - 16.10

Hat er Atemnot ?

Jolly
5. Mai 2021 - 14.45

Nach wie vor immer noch konzeptlos und überhaupt nichts beigelernt,Lockerung ja, aber mit Beachten von verschiedenen Einschränkungen und Bestimmungen. Respekt und Vernunft sollte vielen Bürgern und auch Politikern wieder ins Gehirn geprägt werden.

Charel HILD
5. Mai 2021 - 11.28

Et as ewéi an der Schoul. Ëmmer nees déi selwecht Feeler. D' läscht Joer hu mer och ëm des Zäit gelockert, virun allem an de Schoulen. Feelt nach just dass och an der grousser Vakanz nees liddereg gefaulenzt gëtt fir dann am Hierscht erstaunt iwwert dem Virus séng Mutatiounen ze kucken. Mir wäerten och da nach mam Telefon aus de 60er Joeren Tracing maachen. Mir gin ons net, bis dass de Virus eng aggressiv impfresistent Mutatioun fonnt huet. An da kucke mer nees domm a siche no Excusen, oder mir fale schwach.

Laird Glenmore
5. Mai 2021 - 10.07

Ich persönlich finde es unverantwortlich von Seiten der Regierung diese Lockerung einzuführen wir sind noch nicht über den Berg und was den Horesca Bereich angeht kann ich nur über so viel Unvernunft den Kopf schütteln. Ich verstehe einfach nicht warum die Menschen so wild darauf sind bei einigermaßen schönem Wetter auf irgendeiner Terrasse zu sitzen, haben diese Menschen so wenig im Kopf das sie sich nicht anderweitig beschäftigen können man kann nur darüber staunen wie einfallslos die Menschen sind das Leben besteht doch nicht nur aus Amüsieren sondern auch aus Verantwortung gegen sich und seinen Mitmenschen. Ich werde auf jeden fall keine Terrassen besuchen meine Gesundheit ist mir wichtiger als die Kassen der Kaffee Besitzer denn wenn ich mich auf einer Terrasse ansteckte übernimmt kein Wirt die Verantwortung. Elfmal Negativ getestet plus eine Impfung, ich stehe noch nicht auf der Liste von Brandenburger und bin noch nicht reif für die Urne.