Meinung / Lehren aus dem Fall Wirecard

Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz hat mit dem Auffliegen des Wirecard-Skandals Reformen eingeleitet
Geld verschwindet bekanntlich nicht – es ist nur in anderen Händen. Die Milliarden, die bei Wirecard fehlen, dürften inzwischen gut verteilt sein: auf Aktionäre, die rechtzeitig ausgestiegen sind, und auf Manager, die sich auf der Flucht befinden. Geschädigt sind etliche andere Aktionäre, für die das Mitleid allerdings begrenzt ist. Sie wollten mitverdienen beim Spiel der großen Zocker. Das nennt man dann Risiko. Geschädigt ist zum Glück nicht der Steuerzahler.
Trotzdem ist das Gemeinwesen Bundesrepublik Deutschland betroffen. Denn der Ruf deutscher Unternehmen hat erneut schwer gelitten, zum zweiten Mal nach den Abgasbetrügereien von VW und Co. Das ist keine Petitesse. Deutschlands wichtigstes Verkaufsargument auf den internationalen Märkten ist: seriöse Qualität. Man bekommt Reelles für sein Geld. Und nun stattdessen: Luftbuchungen. Gelitten haben zwei Instanzen, die dieses Qualitätsmerkmal garantieren sollen: die Wirtschaftsprüfer zum einen. Es stellt sich heraus, dass sie so eng mit ihren Prüflingen verbandelt waren, dass von einer echten Kontrolle keine Rede mehr sein konnte. Finanzminister Olaf Scholz hat nun auf diesem Feld Reformen in die Wege geleitet, auch bei der eigenen Finanzaufsicht des Bundes. Das System lernt also offenbar aus seinen Fehlern. Das ist wenigstens eine gute Nachricht.
Blamiert hat sich aber auch die Politik, bis hinauf zur Bundeskanzlerin. Prinzipiell ist es richtig, dass sich die Regierung für heimische Unternehmen starkmacht. Aber wie weit darf das gehen? Der Staat ist keine Werbeagentur für Geschäftemacher, selbst wenn ihn zahlreiche Lobbyisten, darunter ehemalige Politiker, dazu drängen. Der Staat muss auf faire Wettbewerbsbedingungen für seine Unternehmen achten, mehr aber auch nicht. Er darf sich vor allem nie mit den Gewinninteressen einzelner Konzerne gemein machen.
Gier
Diesen Grundsatz verletzen deutsche Regierungen ständig, ob die jetzige oder frühere. Mal ist es die Autoindustrie, mal die Luftfahrt, mal eben Wirecard. Mancher Staatsbesuch ähnelt Verkaufsveranstaltungen auf Kaffeefahrten. Jetzt sind Merkel und Co. bei einer solchen Grenzüberschreitung zufällig ertappt worden, weil sie auf das falsche Pferd gesetzt haben. Es ist zu wünschen, dass die Opposition einen Untersuchungsausschuss einrichtet, auf dass künftige Regierungen sich vorsichtiger verhalten.
Wirecard weist aber noch auf einen anderen Punkt, der fast alle Bürger betrifft: die Gier. Sie erst macht es möglich, dass immer wieder die Sicherungen durchbrennen. In den 1990er Jahren war es die Affäre um Bauunternehmer Schneider, der in Wirklichkeit nur ein Aufschneider war. Ursache war hier die Gier der Banken, aber auch im gemeinen Volk gibt es sie, wie der Run auf die überteuerten Telekom-Aktien vor 20 Jahren zeigt. Oder die anhaltende Attraktivität privater Schneeballsysteme. Und wie oft wird die Lust auf Schnäppchen missbraucht, um Ramsch zu verkaufen? Die Menschheit, so scheint es, will betrogen werden. Immer wieder.
Ich hoffe doch sehr dass sich bald die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde (SEC) einschalten und ordentlich zuschlagen wird um diesem deutschen Treiben ein Ende zu bereiten. So wie sie es mit der Deutschen Bank tat und so wie andere US Behörden sich um VW ,kümmerten‘.