Lage in Jerewan spitzt sich zu

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Von unserem Korrespondenten Axel Eichholz

Die schnelle Machtübernahme von Nikol Paschinjan in Armenien ist vorerst gescheitert. Der provisorische Regierungschef Karapetjan lehnte das Ansinnen ab und will Neuwahlen durchführen. Paschinjan gilt als Rebell, der auch schon eine Freiheitsstrafe absitzen musste.

Die Straßenproteste in Jerewan haben wieder begonnen. Für Mittwoch waren eigentlich Gespräche zwischen dem Oppositionsführer Nikol Paschinjan und dem provisorisch amtierenden Regierungschef Karen Karapetjan über die Bedingungen der Machtübergabe geplant. Karapetjan, ein Vertreter der regierenden Republikanischen Partei, forderte jedoch sofortige vorgezogene Parlamentsneuwahlen. „Wenn das Volk ihn (Paschinjan) haben will, dann wird er Kandidat für das Amt des Republikchefs“, erklärte Karapetjan. Der Kandidat des Volkes werde aber nicht auf der Straße, sondern bei normalen Wahlen bestimmt.

Paschinjan ging wieder auf die Straße

Daraufhin begab sich der Oppositionsführer Paschinjan nicht zu Gesprächen in den Regierungspalast, sondern zu den Kundgebungsteilnehmern auf dem Platz davor. Er hatte zur Bedingung gemacht, dass der Kandidat des Volkes von Demonstranten direkt gewählt wird. Nach den Regeln der in Wahlfälschungen geübten Bürokraten wolle er nicht spielen. Seine Worte, die Revolution habe nach dem Rücktritt des alten Republikchefs Sersch Sargsjan zwar gesiegt, sie sei aber noch nicht beendet, haben sich also bewahrheitet. Protestierende blockierten am Mittwoch erneut die Hauptverkehrsstraßen der Hauptstadt. Polizeieinheiten und Wasserwerfer bezogen wieder ihre Stellungen. Am Mittwoch aber rief auch die größte oppositionelle Partei Prosperierendes Armenien ihre Anhänger auf die Straße.

Die Revolution wird weniger samten

Wie aus armenischen Medienberichten hervorgeht, wollte Paschinjan bei den Gesprächen mit Karapetjan seine Bereitschaft bekräftigen, das Amt des Regierungschefs bis zur Parlamentswahl zu übernehmen und eine provisorische Regierung zu bilden, sagte sein Parteikollege Alen Simonjan der russischen Zeitung RBC-Daily. Erst dann sollte die Parlamentsneuwahl stattfinden. Paschinjan war offenbar bestrebt, seine Machtübernahme weitestgehend zu legitimieren. Ob seine Revolution nun weniger samten wird, bleibt abzuwarten. Die bisher regierende Republikanische Partei verfügt immer noch über wichtige Machthebel.

Rebell an der Spitze der Proteste

Der erst 42 Jahre alte Paschinjan ist einer der jüngsten Spitzenpolitiker auf dem postsowjetischen Gebiet. Er gilt zu Recht als Rebell. Von 1991 bis 1995 studierte er an der Jerewaner Staatsuniversität Journalistik, wurde aber vor Abschluss des Studiums wegen seiner politischen Einstellung exmatrikuliert. Mit 24 Jahren wurde er Chefredakteur der Zeitung Haikakan Schamanak (Armenische Zeit). 2007 führte er den oppositionellen Block Impeachment an. 2008 arbeitete er im Wahlstab des ersten armenischen Präsidenten Lewon Ter-Petrossjan mit.

Nach dessen Wahlniederlage wurde Paschinjan wegen Organisation von Massenunruhen angeklagt und musste untertauchen. 2009 stellte er sich der Polizei, wurde 2010 zu sieben Jahren Freiheitsentzug verurteilt, kam aber schon anderthalb Jahre später durch eine Amnestie wieder frei. 2012 wurde Paschinjan Parlamentsabgeordneter von der Ter-Petrossjan-Partei Armenischer Nationalkongress. 2013 gründete er seine Partei Bürgervertrag. 2016 verschmolz sie mit dem Oppositionsblock Jelk (Auszug).