Italien„La Piccolina“ wurde verhaftet

Italien / „La Piccolina“ wurde verhaftet
Mafiabosse scheinen sich in Spanien wohlzufühlen: Bereits vergangene Woche wurde dort ein ’Ndrangheta-Boss festgenommen Foto: Policia Nacional/dpa

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Eine Spezialeinheit der Carabinieri verhaftete am Samstag am römischen Flughafen Ciampino Maria Licciardi. Die als Patin der Camorra-Allianz von Secondigliano angesehene 70-Jährige war im Begriff, sich nach Spanien abzusetzen. „La Piccolina“ – wie die Mafiosa wegen ihrer geringen Körpergröße auch genannt wird – steht im Verdacht, Erpressung, Immobilienbetrug und Geldwäsche im großen Stil betrieben zu haben. Ihr wird ferner die Mitgliedschaft und Organisation mafioser Strukturen vorgeworfen.

Die ältere Dame, begleitet von zwei Männern, die ihr Gepäck trugen, wirkte nicht überrascht, als sie sich beim Einchecken für ihren Flug nach Malaga von schwer bewaffneten Carabinieri der Spezialeinheit ROS umstellt sah. Maria Licciardi, Patin eines der gefährlichsten Clans des neapolitanischen Nordens, hatte sich „der Geschäfte wegen“ in Italien aufgehalten und wollte nun zu ihrer Tochter sowie in ihr Refugium im spanischen Malaga zurückkehren. Daraus dürfte vorerst nichts werden, denn die Liste der Beschuldigungen der Staatsanwaltschaft wiegt schwer und dürfte nach dem zu erwartenden Gerichtsprozess eine längere Haftstrafe nach sich ziehen. Neben dem Hauptanklagepunkt „Mitglied und Führungsposition in einer mafiosen Vereinigung“ werden der heute 70-Jährigen Erpressung, Hehlerei, Auktionsbetrug bei Immobiliengeschäften sowie die üblichen Vergehen Drogenhandel und Geldwäsche vorgeworfen.

Langjährig an Clanspitze

Bereits in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte sich Maria Licciardi an die Spitze des Camorraclans gestellt, den ihr Bruder Gennaro gegründet hatte. Nachdem die Nuova Camorra Organizata unter Führung Raffaele Cutolos in den langjährigen Bandenkriegen Neapels zugrunde gegangen war, sah Licciardi – wegen seiner Fähigkeit, bei Einbrüchen von Balkon zu Balkon zu klettern auch „a‘ cigna“, der Affe, genannt – die Chance, eine neue schlagkräftige Mafiaorganisation zu gründen. Unter seiner Leitung schlossen sich die Clans von Scampia und Secondigliano, beide im Norden Neapels gelegen, zur Allianz von Secondigliano zusammen.

1992 wurde Licciardi inhaftiert und starb zwei Jahre später unter ungeklärten Umständen in der Haftanstalt von Voghera. Von da ab übernahm Schwester Maria sowohl den Clan Licciardi als auch eine Führungsposition in der Allianz. Die Licciardis profitierten von den Streitigkeiten zwischen dem Clan Di Lauro und den sogenannten Scissionisten, bekannt unter dem Begriff „Fehde von Scampia“. Die Abtrünnigen wollten schnelles Geld mit dem Heroinhandel machen, die Traditionalisten in der Camorra wollten sich jedoch auf die traditionellen Geschäftsbereiche beschränken.

Die Frau steht ihren Mann

Frauen an der Spitze der Clans sind nichts Ungewöhnliches, auch Rosetta Cutolo, die Schwester des langjährigen Camorrabosses Raffaele Cutolo, übernahm nach der Verhaftung des Bruders die Clangeschäfte. Meist sind es die Geschwister oder Ehefrauen der Mafiabosse, die genau die Strukturen und Aktivitäten der Clans kennen, die dann die Geschäftsführung übernehmen.

So auch im Falle Maria Licciardis. 2001 wurde sie wegen Mafiazugehörigkeit, Drogenhandels und Erpressung verhaftet und zu einer achtjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Wieder in Freiheit nahm sie 2009 erneut die Geschäfte auf. Der Clan – zu dem sich nun auch die Di Lauro, Abate, Rinardi sowie der ’Ndrangheta-Clan Commisso assoziierten – kontrolliert nicht nur den Markt in Neapel, sondern auch Bereiche in Kampanien, in der Emilia-Romagna sowie in Mailand. Im Ausland sitzen die Vertreter der Allianz in Deutschland, den Niederlanden, in der Schweiz sowie in Spanien. 

2019 erließ die Staatsanwaltschaft von Neapel erneut Haftbefehl gegen Maria Licciardi, der nun mit der Festnahme am Flughafen Ciampino erfüllt wurde.