BalkanKroatiens serbische Minderheit bei Feier zum 25. Jahrestag der „Operation Sturm“ vertreten

Balkan / Kroatiens serbische Minderheit bei Feier zum 25. Jahrestag der „Operation Sturm“ vertreten
Kroatiens stellvertretender Regierungschef Boris Milosevic (l.), hier mit Tourismus- und Sportministerin Nikolina Brnjac (r.), wird als serbischer Minderheitenpolitiker erstmals an der Gedenkfeier zu einer Militäroperation teilnehmen, bei der vor 25 Jahren Kroaten gegen Serben kämpften Foto: AFP/Damir Sencar

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Ob Freude über die Befreiung von der Besatzung oder Trauer über Vertreibung und Verbrechen: An der „Operation Sturm“ scheiden sich auch nach 25 Jahren in Kroatien und Serbien die Geister. Erstmals nimmt ein Politiker von Kroatiens serbischer Minderheit an der Gedenkfeier teil – und sorgt für Kontroversen.

Leicht falle ihm die Entscheidung für die Teilnahme an der Gedenkfeier zum 25. Jahrestag der „Operation Sturm“ keineswegs, bekennt Kroatiens stellvertretender Regierungschef Boris Milosevic. Seine eigene Großmutter sei bei den Plünderungen nach der Militäroperation zur Rückeroberung der Krajina ermordet worden, berichtet der 45-jährige Politiker von Kroatiens serbischer Minderheitspartei SDSS. Doch er gehe nach Knin mit „offenem Herzen“: „Nach 25 Jahren müssen wir mit dem Hass und dem Krieg aufhören und die Gräben verlassen, in die wir eingegraben sind.“

Ob die Freude und Erleichterung über die Befreiung von der serbischen Besatzung oder die Trauer über Vertreibung und Kriegsverbrechen: An der am 4. August 1995 begonnenen „Operation Sturm“ zur Rückeroberung der Krajina scheiden sich auch nach 25 Jahren in Kroatien und Serbien noch immer die Geister. Erstmals nimmt ein Würdenträger von Kroatiens serbischer Minderheit an der Gedenkfeier teil – und sorgt auch in den Nachbarstaaten für Kontroversen.

„Für Belgrad ein Verräter, für Zagreb ein Versöhner“, titelt das serbische Webportal nova.rs. Er könne „nicht glauben“, dass ein Serbe an der Feier eines Tages teilnehme, an dem 250.000 Serben vertrieben und „über 2.000“ ermordet worden seien, erregt sich Serbiens Verteidigungsminister Aleksandar Vulin. Es sei „unkorrekt“ gegenüber den Opfern, dass „irgendein Serbe an dieser Veranstaltung“ teilnehme, empört sich Milorad Dodik, der serbische Vertreter im Staatspräsidium von Bosnien und Herzegowina.

Doch im Gegensatz zu der serbischen Minderheit in Kosovo und den bosnischen Serben, die stets die enge Anlehnung an das Mutterland suchen, verstehen sich die SDSS und der serbische Minderheitenrat SHV keineswegs als Sprachrohr Belgrads: Deren liberale Vertreter streiten in dem oft von nationalistischen Tönen geprägten Adriastaat vor allem für mehr Toleranz und mehr Verständnis für die seit dem Kroatienkrieg (1991-1995) fast halbierte Minderheit.

Sichtweisen ändern

Natürlich haben auch Koalitionszwänge und der sanfte Druck des konservativen Regierungschefs Andrej Plenkovic (HDZ) die SDSS dazu bewogen, am 4. August erstmals einen Vertreter zu der offiziellen Gedenkfeier zu entsenden. Er sei sich bewusst, dass seine Anwesenheit in Knin die unterschiedliche Wahrnehmung der Operation Sturm „nicht ändern“ werde, so Minderheitenpolitiker Milosevic: „Aber wichtiger als meine Anwesenheit ist es, eine Atmosphäre des Dialogs zu schaffen, in der alle Opfer anerkannt werden – unabhängig der Nationalität.“

Der Streit um den Sturm dürfte in Kroatien noch lange wogen. Doch Sichtweisen ändern und Brückenbauen ist das erklärte Ziel der von rechtsnationalen Kreisen und Veteranenverbänden oft angefeindeten Minderheitenpolitiker der SDSS. Immerhin wollen der sozialdemokratische Staatschef Zoran Milanovic und Verteidigungsminister Tomo Medved (HDZ) in dieser Woche an der Gedenkfeier für die während der Operation Sturm ermordeten serbischen Bewohner des Altersheims in Grubore teilnehmen.

Als Mädchen von acht Jahren habe sie sich mit ihrer Familie am 4. August 1995 in der Flüchtlingskolonne von Knin nach Serbien aufgemacht, berichtete vergangene Woche in einer anrührenden Parlamentsrede die SDSS-Abgeordnete Anja Simpraga. Sie habe damals gewusst, dass auch ihre kroatischen Altersgenossen im Krieg den Weg des Leidens und der Furcht gehen mussten, „der nicht ihr zu Hause war“. Kein Kind dürfe mehr seiner Kindheit beraubt werden: „Der kleine Mensch ist immer der, der leiden muss – und den niemand fragt. Doch viel wichtiger ist es, Mensch als nur Kroate oder nur Serbe zu sein.“

Vesna Dzakovic
5. August 2020 - 8.35

Ein objektiv und sehr informativ geschriebener Artikel im Vergleich zu dem in der FAZ von Michael Martens veröffentlichter Artilel, der die serbischen Opfer verhöhnt.