Schengen-BeitrittKroatiens ersehnter Abschied vom Balkan

Schengen-Beitritt / Kroatiens ersehnter Abschied vom Balkan
Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (l.) versicherte dem kroatischen Regierungschef Andrej Plenkovic (r.), den Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum zu unterstützen Foto: Denis Lovrovic/AFP

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Mit dem Zutritt zur Schengen-Zone und der Euro-Einführung am 1. Januar will Kroatien seinen EU-Beitritt vor knapp einem Jahrzehnt vollenden. Doch der Schengen-Beitritt ist noch keineswegs in trockenen Tüchern. In Zagreb werden Sorgen laut, zum Kollateralschaden von Österreichs Vorwahlkampf zu werden.

Der Gast benutzte seinen Besuch in Kroatien zur Klage über die Lage im eigenen Land. Österreich verspüre selbst als „EU-Binnenland einen enormen Druck durch irreguläre Immigration“, klagte der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer zum Auftakt seiner zweitägigen Kroatien-Visite über die auf 95.000 angestiegene Zahl von Asylbewerbern, die von den EU-Staaten, die sie zuvor durchquert hatten, „zum großen Teil nicht registriert worden sind“.

Wir stehen einem Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien kritisch gegenüber. Kroatien ist von unserer Kritik an dem Schengen-System nicht betroffen.

Karl Nehammer, Österreichs Bundeskanzler

Gleichzeitig versicherte Nehammer seinem kroatischen Amtskollegen Andrej Plenkovic, dass Wien Kroatiens anvisierten Schengen-Beitritt „unterstützen“ werde, hielt aber an seiner Ablehnung einer Schengen-Erweiterung wie von der EU-Kommission vorgeschlagen fest: „Wir stehen einem Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien kritisch gegenüber. Kroatien ist von unserer Kritik an dem Schengen-System nicht betroffen.“

Mit dem Zutritt zur Schengen-Zone und der Euro-Einführung am 1. Januar will der in die Jahre gekommene EU-Neuling seinen EU-Beitritt vor knapp einem Jahrzehnt endlich vollenden. Mit der gemeinsamen Währung und der vollen Bewegungsfreiheit „ohne Warten an der Grenze“ kehre Kroatien „nach 104 Jahren“ wieder in die Zivilisation der Staatengemeinschaft zurück, der es „zugehöre“, freut sich der Kommentator des Portals index.hr bereits über Kroatiens „endgültigen Abschied vom Balkan“.

Sorgen in Zagreb

Doch in trockenen Tüchern ist der anvisierte Schengen-Beitritt noch keineswegs: In Zagreb mehren sich die Sorgen, dass Kroatien zum Kollateralschaden von Europas verschärfter Flüchtlingskrise – und des österreichischen Vorwahlkampfs – werden könnte.

Auf bilateraler Beschwichtigungsmission hat sich Bundeskanzler Nehammer kurz vor der am 8. Dezember erwarteten Entscheidung über die Ausweitung der Schengen-Zone in den Adria-Staat aufgemacht. Denn mit seiner Androhung eines „klaren Nein“ zur Schengen-Erweiterung hatte sein Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) mit Verweis auf die gestiegenen Zuwandererzahlen letzte Woche gehörig Staub aufgewirbelt. Das System der gemeinsamen Überwachung der Schengen-Grenze funktioniere nicht, so sein Credo. Wenn ein System nicht funktioniere, sollte es nicht vergrößert werden.

Während kroatische Regierungspolitiker die von Karner bekräftigten Veto-Drohungen wortreich herunterspielen, zeigen sich Oppositionspolitiker, aber auch Beobachter in Zagreb beunruhigt. Er sei „besorgt“ über die Erklärungen aus Österreich, bekannte Staatschef Zoran Milanovic, der von einer „Abrechnung auf unserem Rücken mit anderen EU-Mitgliedern“ spricht. Das Migrationsthema sei für die rechten Parteien in Österreich eine „Schlüsselfrage“, warnt der Analyst Goran Bandov: „Die Frage ist dabei, wer sich noch radikaler gibt, um eine bestimmte Zahl von Wählern auf seine Seite zu ziehen.“