Katalonien: Prozesslawine statt Unabhängigkeit

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Von unserem Korrespondenten Heinz Krieger

Gegen 13 führende katalanische Politiker ist Anklage wegen Rebellion erhoben worden. Darunter sind Carles Puigdemont und Jordi Turull, der sich zu seinem Nachfolger wählen lassen wollte, aber keine Mehrheit bekam. Sieben Angeklagte sind flüchtig.

Die Ermittlungen sind abgeschlossen, jetzt kommt der Prozess wegen der als Straftat eingestuften Ausrufung der von Spanien unabhängigen Republik Katalonien im vergangenen Oktober. Gegen 28 Personen wurde ermittelt. Gegen 25 wird Anklage erhoben, 13 wird wegen Rebellion der Prozess gemacht. Darunter sind der amtsenthobene Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont, der nach Belgien geflohen ist, sowie sein früherer Stellvertreter Oriol Junqueras, der in Madrid in Untersuchungshaft sitzt.

Neuwahlen in Katalonien möglich

Angeklagt ist auch Jordi Turull, der noch am Donnerstag im Parlament zum neuen Regierungschef der autonomen Region gewählt werden sollte. Allerdings unterlagen die separatistischen Abgeordneten. Turull erhielt 64 Ja-Stimmen gegen 65 Nein-Stimmen. Die Uhr läuft jetzt: Wird innerhalb von zwei Monaten kein neuer „President“ gewählt, muss neu gewählt werden. Die letzte Wahl fand am 21. Dezember statt. Sie brachte den Separatisten eine knappe Mehrheit von 68 Abgeordneten gegenüber 65 der verfassungstreuen Parteien. Allerdings enthielten sich bei der Turull-Wahl die vier Abgeordneten der Linkspartei CUP – weil Turull in seiner Bewerbungsrede nicht erneut die Republik Katalonien forderte.

Staatsanwalt fordert sofortige Inhaftierung

Die Staatsanwaltschaft forderte nach der Eröffnung der Anklage beim Obersten Gericht die sofortige Inhaftierung der jetzt offiziell Angeklagten, wegen Fluchtgefahr und der Gefahr der Tatwiederholung. Für das Argument der unmittelbaren Fluchtgefahr sprach, dass sich eine der Angeklagten, die Generalsekretärin der Linksrepublikaner (ERC) Marta Rovira, gar nicht beim Gericht in Madrid sehen ließ, sondern in die Schweiz flüchtete. Sieben der 25 Angeklagten sind jetzt im Ausland, um sich der spanischen Justiz zu entziehen. Außerdem forderten die Staatsanwälte, den ausgesetzten internationalen Haftbefehl gegen Puigdemont wieder in Kraft zu setzen und gegen die anderen sechs Flüchtigen solche auszustellen.

Gegen Turull wird außerdem ermittelt, weil er sein Vermögen auf seine Frau überschrieben hat, offenbar um Regressforderungen des Staates zu entgehen. Die Angeklagten müssen bei einer Verurteilung damit rechnen, für die Kosten des illegalen Referendums zur Unabhängigkeit vom 1. Oktober herangezogen zu werden. Das sind alles in allem rund 2,1 Millionen Euro.

Ein „krimineller Fahrplan“

Richter Pablo Llarena vom Obersten Gerichtshof wirft den 25 Angeklagten vor, für den sogenannten „Procès“ der Unabhängigkeit einen Plan mit „rechtswidrigem Design“ aufgestellt zu haben – eine Formulierung, die in etwa dem Begriff der kriminellen Vereinigung im deutschen Strafrecht entspricht. Der Richter geht davon aus, dass dieser Prozess durch die Anwendung des Verfassungsartikels 155 mit Direktregierung Kataloniens aus Madrid nicht beendet worden ist und wieder aufgenommen würde, wenn es wieder eine eigene autonome Regierung in Barcelona gibt. Es handele sich um einen „Angriff auf den Verfassungsstaat“ in bisher nicht dagewesenem Ausmaß, so der Richter. Die Separatisten hätten versucht, die in der Verfassung festgeschriebenen Strukturen des Staates einseitig zu verändern.

Dafür seien im Übrigen auch öffentliche Mittel zweckentfremdet worden, die von den Beklagten zurückzufordern seien. Laut dem polizeilichen Ermittlungsbericht der „Guardia civil“ ist der gescheiterte Präsidentschaftskandidat Turull in seiner Zeit als Kabinettsmitglied von Puigdemont allein für die Veruntreuung von 1,4 Millionen Euro öffentlicher Gelder für Ausrichtung und Durchführung des rechtswidrigen Unabhängigkeitsreferendums verantwortlich.