Karotten machen Kängurus wild

Karotten machen Kängurus wild

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Von unserer Korrespondentin Barbara Barkhausen

Touristen haben in Australien an einem bei Urlaubern bekannten Sammelpunkt von Kängurus Karotten an die Tiere verfüttert. Diese haben danach eine gefährliche Abhängigkeit entwickelt. Mehrere Menschen wurden inzwischen durch aggressives Verhalten der Tiere verletzt.

Die Fotos auf Shane Lewis’ Facebookseite sehen grausig aus: ein tiefer Kratzer an der Schulter, eine tiefe Wunde am Bauch, Kängurus, die Menschen anspringen. Kennt man nur diese Bilder, so würde man die australischen Beutler für gefährliche Raubtiere halten. Dabei grasen die Tiere normalerweise behäbig in der Sonne.

Dass die Beutler sich in Morisset, einem kleinen Ort knapp 120 Kilometer nördlich von Sydney, in so gefährliche „Bestien“ verwandelt haben, liegt vor allem an Karotten. Denn diese füttern die Touristen den Beutlern, um sie für Selfies zu sich zu locken. Manche Urlauber sind sogar schon dabei ertappt worden, den Tieren Fast Food oder Chips einzuverleiben.

Wie Schokolade bei Menschen

Karotten sind reich an Carotin und enthalten gleich mehrere Vitamine – für Menschen sind sie deswegen eine kalorienarme und gesunde Gemüsesorte. Doch bei Kängurus sieht die Sache völlig anders aus. Denn die australischen Beutler ernähren sich eigentlich ausschließlich von Gras, Blumen und Blättern. Ähnlich wie Kühe fressen die Tiere ihre Nahrung, würgen sie wieder hoch und kauen sie erneut, bevor sie vollständig verdaut werden kann.

Karotten stehen normalerweise nicht auf diesem eher simplen Speiseplan. Doch das Gemüse mundet den Tieren ganz besonders. Kein Wunder, denn aufgrund des Zuckergehalts wirken Möhren laut einem Tierexperten auf Kängurus wie Schokolade auf Menschen.

Urlauberin musste mit 17 Stichen genäht werden

Inzwischen sind die Beutler so heiß auf ihre tägliche Dosis Karotten, dass sie eine gewisse Abhängigkeit entwickelt haben und sich nun auch ähnlich wie ein Drogenjunkie verhalten, wie der australische Sender ABC berichtet. „Inzwischen werden jeden Tag Leute getreten und gekratzt“, sagt Lewis, der einen Shuttle-Bus betreibt und Urlauber vom Bahnhof des Ortes zu dem Kängurutreffpunkt bringt. „Eine Frau musste mit 17 Stichen in ihrem Gesicht genäht werden – von ihrem Auge bis zu ihrem Kinn.“

Das Problem seien inzwischen auch die Massen an Touristen: Jede Woche kämen rund 2.000 Menschen. „Und die Kängurus brauchen keine 2.000 Karotten oder Bananen, Brot, Chips und Kekse“, sagt Lewis. Der Australier hat deswegen eine Aufklärungskampagne gestartet und zeigt allen Urlaubern, die er fährt, Fotos der Verletzungen und warnt sie, zu nah an die Tiere heranzugehen.

Menschliche Nahrung macht Kängurus krank

Auch ein Schild warnt davor, die Tiere zu füttern. „Das Füttern von menschlicher Nahrung ist schädlich für die Gesundheit der Kängurus“, heißt es dort. Dass menschliche Nahrung die Tiere krank machen kann, ist seit langem bekannt. Denn die sogenannte Lumpy Jaw Disease oder Nekrobazillose kommt bei Kängurus in Zoos oder Wildgehegen häufig vor. Die Krankheit führt zu Entzündungen im Mundbereich und wird von Nahrung ausgelöst, die im Mund der Beutler kleinere Verletzungen verursacht, in denen sich dann Bakterien breitmachen. Werden die Verletzungen nicht behandelt, können die Tiere daran sterben.
Inzwischen beschäftigt der Känguru-Tourismus sogar schon das Parlament des Bundesstaates New South Wales.

Greg Piper, der lokale Parlamentsabgeordnete für Morisset, schilderte die Situation dort diese Woche und warb dafür, Schilder in mehreren Sprachen aufzustellen und mehr Wildhüter in die Region abzustellen. Außerdem produzierte der Politiker ein Video, das er auf sozialen Medien teilte, um deutlich zu machen, wie sehr die Situation inzwischen entgleist ist. Im Kommentarfeld schrieb er dazu, dass er die Leute nicht davon abhalten wolle, die Kängurus zu besuchen, aber dass es eine koordinierte Antwort geben müsse, „um die Kängurus sowie die Menschen, die sie besuchen, zu schützen“.