Deutschland / Kanzlerkandidat Olaf Scholz mahnt die SPD zur Geschlossenheit

Olaf Scholz wird im kommenden Jahr bei den Bundestagswahlen für die SPD als Kanzlerkandidat antreten (Foto: AFP/Tobias Schwarz)
Am Montag um kurz vor 11 Uhr war die Katze aus dem Sack: Auf Vorschlag der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans habe man ihn „gerade einstimmig als Kanzlerkandidaten nominiert“, twitterte Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz. Und setzte noch hinzu: „Ich freue mich auf einen tollen, fairen und erfolgreichen Wahlkampf in einem starken Team.“
Dem Vernehmen nach wurde die Personalentscheidung in einer kurzfristig anberaumten Telefonschalte der erweiterten Führung bekannt gegeben. Tatsächlich waren die Würfel aber schon „vor gut einem Monat gefallen“, wie Esken drei Stunden später vor Journalisten erklärte. Angeblich soll es bereits am 7. Juli zu einer entsprechenden Verabredung zwischen Scholz, den beiden Parteichefs, Generalsekretär Lars Klingbeil sowie dem Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich gekommen sein. Parteioffiziell galt allerdings bis zuletzt die Ansage, den Kanzlerkandidaten erst „im Spätsommer“ auszurufen. Noch am Wochenende hatte Klingbeil diesen Fahrplan in einem Interview bekräftigt.
Dass die Sache so lange geheim blieb, hat offenkundig mit dem mittlerweile entkrampften Verhältnis zwischen den Parteivorsitzenden und Scholz zu tun. Beim Basisvotum zur Wahl der neuen Chefs im vergangenen Jahr konnten sich Esken und Walter-Borjans noch gegen den heute 62 Jahre alten Hanseaten durchsetzen. Ungeachtet dessen blieb Scholz jedoch in Umfragen der beliebteste Sozialdemokrat, weshalb sich seine Kandidatur auch schon länger angedeutet hatte. „Wir sind gemeinsam zu der Überzeugung gekommen, dass wir in einem einigen Führungsteam und mit einem Kanzlerkandidaten, dem die Menschen vertrauen, die SPD zu neuer Stärke führen können“, schrieben Esken und Walter-Borjans in einem elektronischen Brief an alle Parteimitglieder.
Vor allem beim linken Flügel der SPD ist Scholz jedoch umstritten. Man wisse, dass die Entscheidung für einige „eine ungewöhnliche Wendung“ darstelle, räumte Esken dann auch freimütig ein. Als Finanzminister zählt Scholz gerade in der Corona-Krise zu den größten politischen Aktivposten der Partei. Viele verübeln ihm jedoch bis heute, dass er als früherer Partei-Generalsekretär die Agenda-Politik von Kanzler Gerhard Schröder mit installierte und dabei zu den beharrlichen Befürwortern der verhassten Harz-Gesetze zählte. Langweilige Auftritte wurden damals zu seinem Markenzeichen. Aus dieser Zeit stammt auch das Schimpfwort vom „Scholzomaten“.
„Deutlich über 20 Prozent“
Trotz des fast schon wie in Stein gemeißelten Umfragetiefs für die SPD, gab sich Scholz gestern demonstrativ zuversichtlich: „Wir trauen uns zu, dass wir mit deutlich über 20 Prozent abschneiden können“, sagte er auf einer eilends anberaumten Pressekonferenz. Bei der letzten Wahl vor drei Jahren kam die Partei auf 20,5 Prozent. Aktuell wird sie auf kaum mehr als 15 Prozent taxiert. Gleich mehrfach betonte Scholz auch, dass seine Partei eine Regierung „als stärkste Kraft“ anführen wolle. Das konnte auch als Absage an Esken gedeutet werden, die sich am Tag zuvor für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis auch unter Inkaufnahme einer Junior-Rolle der eigenen Partei ausgesprochen hatte. Schon seit geraumer Zeit liegen die Grünen in allen Umfragen zum Teil deutlich vor der SPD. Und dann ist da ja auch noch die Wirecard-Affäre, die das Siegen für Scholz nicht einfacher machen dürfte. Wegen des einstigen politischen Engagements für den Pleite-Konzern bis hinauf ins Kanzleramt droht ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der auch zum unliebsamen Wahlkampfinstrument gegen Scholz werden könnte.
Die größte Gefahr für den erhofften Sieg scheint aus Sicht des Kandidaten aber offenbar in den eigenen Reihen zu lauern: „Nur wenn alle hinter dem Spitzenkandidaten stehen, kann man auch erfolgreich sein“, mahnte Scholz. In den vergangenen SPD-Wahlkämpfen hat es daran stets gemangelt.
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