Bürgerkrieg„Jeden Tag wächst die Not“: UN-Flüchtlingsexperte zur Lage in Äthiopien

Bürgerkrieg / „Jeden Tag wächst die Not“: UN-Flüchtlingsexperte zur Lage in Äthiopien
„Hilfe reicht nicht aus“: Zehntausende Äthiopier sind in den Sudan geflohen  Foto: AFP/Ebrahim Hamid

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Äthiopien galt lange Zeit als afrikanischer Musterstaat. Vor rund zwei Wochen ist in dem Land jedoch ein Bürgerkrieg ausgebrochen, der auch Nachbarländer wie den Sudan und Eritrea zu destabilisieren droht. Peter Ruhenstroth-Bauer, Geschäftsführer der UNO-Flüchtlingshilfe, des deutschen Partners des UN-Flüchtlingshilfswerkes (UNHCR), warnt im Gespräch vor einer humanitären Katastrophe in der Region.

Tageblatt: Herr Ruhenstroth-Bauer, können Sie erklären, warum der neue Konflikt am Horn von Afrika international vergleichsweise mehr Beachtung findet als zum Beispiel die desolate Situation im Südsudan oder in der Zentralafrikanischen Republik?

Peter Ruhenstroth-Bauer: Das liegt daran, dass Äthiopien mit seinen 112 Millionen Einwohnern ein wichtiges afrikanisches Land ist, aufstrebend, wirtschaftlich erfolgreich und mit einem Ministerpräsidenten, der 2019 den Friedensnobelpreis erhalten hat. Die Welt schaut aktuell genauer auf die umkämpfte nördliche Region Tigray als auf andere Krisenherde.

Die Arbeit von Hilfsorganisationen in Tigray wird angeblich immer schwieriger. Was wissen Sie darüber?

Die Zahl der Vertriebenen in Äthiopien steigt täglich an. Die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen haben große Probleme, Zugang zu den Bedürftigen zu bekommen. Und es gibt Schwierigkeiten, Hilfsgüter in die Region zu bringen. Der UNHCR ist daher zunehmend besorgt über die Versorgungslage, die Sicherheit der Zivilbevölkerung und der Helferinnen und Helfer.

Gibt es größere Flüchtlingsbewegungen?

Ja, mittlerweile ist die Zahl der Menschen, die vor der Gewalt in Tigray Richtung Sudan geflüchtet sind, auf mehr als 33.000 gestiegen. Im Schnitt überqueren täglich mehr als 4.000 Kinder, Frauen und Männer die Grenze. Um ihnen angemessen helfen zu können, reichen die Kapazitäten der Hilfsorganisationen von Ort bei Weitem nicht aus.

Wie kann der Konflikt gelöst werden?

Zunächst muss die Einstellung der Kampfhandlungen erreicht werden, und Hilfsorganisationen müssen uneingeschränkten und sicheren Zugang nach Tigray bekommen. Der UNHCR appelliert gemeinsam mit anderen UN-Organisationen an die Konfliktparteien, Schutz und Sicherheit der Zivilbevölkerung zu respektieren.

Appelle werden aber kaum reichen.

Um eine dauerhafte Lösung zu erreichen, müssen die Kontrahenten an den Verhandlungstisch geführt werden. Für vermittelnde Gespräche ist die Afrikanische Union der richtige Ansprechpartner. Hier sollte auch das Engagement der Europäischen Union ansetzen.