In der Corona-KriseItaliens Faschisten rühren sich – und rücken das rechte Lager noch weiter nach rechts

In der Corona-Krise / Italiens Faschisten rühren sich – und rücken das rechte Lager noch weiter nach rechts
„Eindrucksvollste Versammlung von Idioten in den letzten Jahrzehnten“: Auch Italiens konservative Presse kritisiert die rechtsextremen Proteste Foto: dpa/Cecilia Fabiano

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Die lang andauernden Restriktionen in der Corona-Krise haben auch in Italien Unmut hervorgerufen. Populisten und Italiens Faschisten nutzen den Ärger der Menschen, um gegen die Politik der Regierung Stimmung zu machen. Italiens Rechte ist im Aufwind, die postfaschistischen Fratelli d’Italia konnten ihren Sympathiewert auf 14,5 Prozent potenzieller Wähler erhöhen. Gemeinsam mit Lega und Forza Italia nutzten sie die Gelegenheit, am 2. Juni, dem Nationalfeiertag, gegen Regierung und Präsident zu demonstrieren.

Matteo Salvini (Lega), Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia, FdI) und der Vizepräsident von Forza Italia, Antonio Tajani, nutzten am Dienstag, 2. Juni, die Gelegenheit, gegen die restriktive Sicherheitspolitik der Regierung Giuseppe Contes zu demonstrieren. „Italien ergibt sich nicht“ hieß die Losung der Demonstration, mit der die rechten Kräfte eine sofortige und uneingeschränkte Wiederbelebung der Wrtschaft forderten. Eine 500 Meter lange Tricolore wurde über die Piazza Roma getragen, sowohl die Parteiführer als auch ihre demonstrierenden Anhänger ließen jede Vorsichtsmaßnahmen außer Acht.

Wie bereits in den Vortagen: In Rom, Mailand, Bari und etlichen anderen Städten gingen am Pfingstwochenende mehrere Hundert bis Tausend Demonstranten auf Straßen und Plätze – die von den „Orangenen Westen“ angeführten Protestierenden machten ihrem Unmut über die von der Regierung in Rom wegen der Corona-Pandemie verhängten Kontaktbeschränkungen Luft. All die Maßnahmen, die die Administration unter Giuseppe Conte angeordnet hatte, seien nur „Mittel, um unsere bürgerlichen Freiheiten einzuschränken und uns einem staatlichen Diktat zu unterwerfen“, so die Sprecher auf den meist illegal abgehaltenen Kundgebungen.

„Die Pandemie existiert gar nicht, das Coronavirus ist nicht tödlich“, rief der Anführer der „Orangenen Westen“, Ex-Carabiniere-General Antonio Pappalardo auf der Demonstration in Bari aus. Die ansonsten durchaus konservativ eingestellte Wochenschrift Famiglia cristiana nannte die Proteste die „eindrucksvollste Versammlung von Idioten in den letzten Jahrzehnten“. Mailands Bürgermeister Giuseppe Sala nannte die Demonstrationen „unverantwortlich“ und nannte es eine „Schande, angesichts von 16.079 Toten in der Lombardei“ die Gefährlichkeit der Epidemie zu leugnen.

Postfaschisten legen zu

Antonio Pappalardo, 1946 in Palermo geboren, hat sich im Laufe seiner politischen Karriere immer deutlicher nach rechts gewandt. Ursprünglich aus der italienischen Sozialdemokratie kommend, steht er mit seiner 2019 gegründeten Bewegung „Orangene Westen“ (in Anlehnung an die französischen „Gelben Westen“) dem rechten Spektrum um die postfaschistischen Fratelli d’Italia nahe. So verwundert es nicht, dass die „Orangenen Westen“ sich zum Gros auch aus der „Forconi-(Mistgabel)-Bewegung“, einer bäuerlichen und mittelständischen Protestbewegung, rekrutiert. Schon vor Jahren hatten Lega- und Forza-Nuova-Politiker die Demonstrationen als Plattform genutzt, um gegen die von der Demokratischen Partei geführten Regierung zu protestieren.

Pappalardo will Italien von den „herrschenden korrupten Strukturen“ befreien. Im Dezember 2017 stellte er einen Haftantrag gegen Staatspräsidenten Sergio Mattarella, weil dieser angeblich nicht verfassungsgemäß ins Amt gewählt wurde. Dafür muss er sich wegen Herabwürdigung des Staatsoberhaupts nun juristisch verantworten. Auch wenn die Auftritte der „Orangenen Westen“ derzeit noch absurd anmuten – bei den Regionalwahlen in Umbrien erreichte die Bewegung nur 0,13 Prozent der Wähler – so kennzeichnen sie derzeit doch eine zunehmend explosive Situation in der italienischen Gesellschaft.

Rechtes Lager rückt nach rechts

Beifall erhalten die Proteste vor allem von der extremen Rechten. Sowohl die Lega des Ex-Innenministers Matteo Salvini als auch vor allem die Fratelli d’Italia (FdI) protestieren gegen die anhaltenden Vorsichtsmaßnahmen der römischen Administration und rufen auf, Gesellschaft und Wirtschaft trotz Corona wieder zu öffnen. Dies findet in der italienischen Öffentlichkeit Beifall, zumal sich die permanent angeschlagene wirtschaftliche Lage des Landes  wegen der Pandemie nochmals deutlich verschlechtern dürfte.

Das Echo lässt sich in Wählerumfragen nachvollziehen: Während sich Salvinis Lega – nach seinen vergeblichen Angriffen auf die Conte-Regierung – deutlich im Abschwung befindet, schreitet FdI, hervorgegangen aus der faschistischen MSI, voran. Jüngsten Umfragen zufolge könnte die Partei um Giorgia Meloni auf 14,5 Prozent der Wählerstimmen hoffen, doppelt so viel als Silvio Berlusconis Forza Italia. Insgesamt käme das rechte Lager auf mehr als 48 Prozent, mit einem deutlichen Ruck nach rechtsaußen.

Schon werden wieder Rufe nach Neuwahlen laut, und die römische Koalition Contes, die derzeit zwar noch die Mehrheit im Parlament besitzt, sie nach Umfragen jedoch verlieren dürfte, muss sich deutlich anstrengen, das Volk weiter vom Sinn der Corona-Maßnahmen und den von ihr vorgeschlagenen Ausweg aus der aktuellen Lage zu überzeugen.