Nahost / Israel-Flagge auf Wiener Kanzleramt bringt türkischen Präsidenten auf die Palme

Das Hissen der israelischen Flagge auf dem österreichischen Kanzleramt führte zu Kritik im In- und Ausland (Foto: AFP/Helmut Fohringer)
Das auch in Österreich selbst umstrittene Hissen der Israel-Flagge auf Kanzleramt und Außenministerium sorgt für einen neuen Tiefpunkt der Beziehungen zwischen Wien und Ankara.
Am Dienstag wurde der türkische Botschafter Ozan Ceyhun wieder einmal ins Wiener Außenamt zitiert. Er musste von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) einen Protest gegen „absurde Aussagen“ von Präsident Recep Tayyip Erdogan entgegennehmen. Dieser hatte am Vorabend wörtlich gesagt: „Ich verfluche den österreichischen Staat.“ Österreich wolle, so Erdogan, „dass die Muslime den Preis dafür zahlen, dass er die Juden einem Genozid unterzogen hat“. Der Stein des Anstoßes: Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte am Freitag entschieden, aus Solidarität mit Israel auf seinem Amtssitz sowie auf dem Außenministerium die Flagge des jüdischen Staates zu hissen. Kurz’ Hang zum Polit-Aktionismus hatte unmittelbare außenpolitische Konsequenzen: Irans Außenminister Javad Zarif sagte am Samstag eine Wien-Visite zur Fortsetzung der Verhandlungen über eine Rettung des Atomabkommens ab.
Erdogan brachte seinen Protest wie gewohnt deftiger zum Ausdruck. Sein Verhältnis zu Österreich ist seit langem belastet, weil Wien immer wieder gegen den Einfluss Erdogans auf die türkische Gemeinschaft in Österreich protestiert und zudem in der EU seit Jahren gegen eine Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen mauert. Während der Präsident gleich das ganze Land verdammte, nahm das türkische Außenamt Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ins Visier. Dieser hatte mit Blick auf antisemitische Vorfälle bei Anti-Israel-Demonstrationen am Wochenende die „unrühmliche Rolle der Türkei“ kritisiert. Bei diesen Demos waren auch viele Austro-Türken aufmarschiert. Das Außenamt in Ankara wies Nehammers Aussagen zurück und forderte Wien auf, „diesen antitürkischen Erklärungen ein Ende zu setzen“.
Doch die bilaterale Konfrontation dauert an, auch wenn die umstrittenen Fahnen wieder von den Regierungsgebäuden verschwunden sind. Mit der Kritik an Österreichs Solidaritätsaktion mit Israel „belegen türkische Politiker einmal mehr ihr erschreckendes Rechtsverständnis“, so Außenminister Schallenberg gestern. „Statt Öl ins Feuer zu gießen, ist die Türkei dringend dazu aufgerufen, zur Deeskalation beizutragen.“
Kanzler Kurz begründete die Beflaggung auch mit der historischen Verantwortung Österreichs. Die zur Staatsräson gewordene Solidarität mit Israel bedeutet unter Kurz aber auch den Verzicht auf kritische Auseinandersetzung mit der israelischen Politik.
Kritik auch von Grünen
Seine Flaggen-Aktion sorgt auch in Österreich für Widerspruch – sogar beim Koalitionspartner: Das Hissen von Fahnen anderer Staaten, die sich „in einem etwaigen Krieg befinden“ halte sie für nicht geboten, meinte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic. Alt-Bundespräsident Heinz Fischer, ein Sozialdemokrat, empfindet es „als schmerzlich, dass gerade das neutrale Österreich in diesem tragischen Konflikt jetzt Einseitigkeit demonstriert“. Der Politologe Thomas Schmidinger unterstellt dem Kanzler unlautere Motive: „Hier will jemand wohl bewusst Konflikte schüren, um dann, wenn sich davon wer provoziert fühlt, auf die bösen antisemitischen Muslime zeigen zu können.“
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