Deutschland / In der Corona-Krise liegen die Nerven der Ministerpräsidenten endgültig blank

Noch Klärungsbedarf: Angela Merkel nach der Corona-Konferenz (Foto: dpa/Michael Kappeler)
Bei der Corona-Konferenz in Deutschland zwischen Bund und Ländern kracht es heftig. Am Ende gibt es mehr Verlierer als Gewinner.
Angela Merkel hatte am Donnerstagmorgen nach den Beratungen mit den Ministerpräsidenten noch Klärungsbedarf. Während der Bundestagsdebatte über die epidemische Lage in Deutschland sprach sie am Rande erst intensiv mit ihrem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dann zog es sie zu Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Vieles war mal wieder nicht so gelaufen bei der denkwürdigen Sitzung der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten. Merkel braucht jetzt dringend Unterstützung. Dabei soll Brinkhaus helfen.
Zehn Stunden, so lange wie noch nie konferierte man miteinander. Kurz vor 23 Uhr war es zum großen Knall gekommen, nachdem Finanzminister Olaf Scholz über den Härtefallfonds für von der Corona-Krise betroffene Firmen referiert hatte, verbunden mit der Forderung, die Länder sollten die Hälfte der Kosten tragen. Er werde hart bleiben, so Scholz. Aus Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder platzte es heraus: „Ich weiß nicht, was Sie getrunken haben“, polterte dem Vernehmen nach der CSU-Chef gegen den SPD-Mann. „Sie sind hier nicht der Kanzler.“ Um dann noch eins draufzusetzen: „Da brauchen Sie gar nicht so schlumpfig herumgrinsen.“
Der Frust über das Corona-Chaos, der Druck, der auf der Runde lastete, weil das Land aus dem Lockdown will, vielleicht auch der aufziehende Wahlkampf, das alles entlud sich in einer Härte, die es bisher wohl noch nie gegeben hat bei den Beratungen. Auch Merkel soll überrascht gewesen sein. Allen Teilnehmern war zudem klar, dass nichts geheim bleiben würde, was in der Runde besprochen wird.
Söder fährt erst Scholz, dann Laschet an
Weder Söder noch Scholz, hieß es danach, hätten mit ihrem Scharmützel politisches Terrain in eigener Sache gewonnen. Scholz will Kanzler werden, Söder vielleicht. Jedenfalls soll der CSU-Mann auch dem neuen CDU-Chef und NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet gegen das Schienbein getreten haben, also seinem Konkurrenten in der K-Frage. Der hatte sich wohl anders als Söder dagegen ausgesprochen, niedergelassene Ärzte schon früher als geplant beim Impfen einzubinden. Teilnehmern zufolge soll der Bayer daraufhin gemäkelt haben: „So, wie du das sagst, ist das: Am liebsten gar nichts machen, sondern nur schieben, schieben, schieben.“ Rums, das saß.
Die Botschaft des Abends war schließlich die: Es wird wieder mehr Freiheiten geben in Deutschland durch fünf komplizierte Öffnungsphasen. „Der Frühling 2021“, so Merkel nach der Videoschalte, „wird anders sein als der Frühling vor einem Jahr“. Außerdem soll schneller geimpft werden. Darüber hinaus können alle Bürger bald wöchentlich einen kostenlosen Schnelltest machen, dessen Ergebnis ihnen dann bescheinigt wird. Bund und Länder einigten sich jedoch ebenso auf eine „Notbremse“ hinsichtlich der angepeilten Lockerungen. Steigt die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen auf über 100, treten wieder die harten Lockdown-Regeln in Kraft, die aktuell noch gelten.
Am Ende gab es fast nur Verlierer der Konferenz. Die zerstrittenen Ministerpräsidenten gehörten dazu, ebenso die Kanzlerin. Denn die Länder kippten ihre 35er-Inzidenz, die Merkel im Februar noch als Maß aller Dinge für weitreichende Öffnungen durchgesetzt hatte. Auch beim Impfen musste sie klein beigeben – gegen mehr Flexibilität hatte die Kanzlerin sich immer gesträubt. Am Tag danach im Bundestag war ihr anzusehen, wie anstrengend die Beratungen gewesen waren.
Einziger Gewinner: die Opposition
Ähnlich müde wirkte Gesundheitsminister Jens Spahn, der in der Debatte über die epidemische Lage das Wort ergriff. Man habe stundenlang den Ausgleich der Interessen gesucht. „Es geht um Schadensbegrenzung“, so der Minister. Er wisse: „Viele Nerven sind wundgescheuert.“ Seine eigenen wohl auch. Denn Spahn war bei der Konferenz ein ums andere Mal heftig kritisiert worden wegen des Impfdebakels und den Problemen mit den Schnelltests. Mehrere Breitseiten gegen ihn gab es überdies bezüglich fehlender Funktionen der Corona-Warn-App. Spahn, mal wieder ein Verlierer.
Wenn man so will, gab es nur einen Gewinner – und zwar die Opposition. Denn die Ergebnisse boten genug Möglichkeiten zur Kritik. FDP-Chef Christian Lindner erklärte, das ganze Land werde nach wie vor „weitgehend im Stillstand gehalten“. Dabei sei es möglich, „mit klugen Hygienekonzepten weitgehende Öffnungen außerhalb der Hotspots zu verantworten“. Grünen-Chef Robert Habeck betonte, als Bürger fühle man sich von den Verantwortlichen im Stich gelassen. Seitens der AfD forderte Parteichef Tino Chrupalla so schnell wie möglich ein „geregeltes Ende des Lockdown“. Ganz sicher blieben „Schulden, Depression, Perspektivlosigkeit“, befand Chrupalla. Auf alle Fälle kommt die nächste Konferenz bestimmt. Sie ist bereits für den 22. März terminiert.
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