SpanienIn Madrid machen Richter den Lockdown wegen eines Formfehlers rückgängig

Spanien / In Madrid machen Richter den Lockdown wegen eines Formfehlers rückgängig
Kontrollposten der Polizei in Madrid Foto: dpaDiego Radames/SOPA Images via ZUMA Wire

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Ein Gerichtsurteil stürzt die spanische Hauptstadt, die die höchsten Corona-Infektionsraten Europas hat, ins Chaos: Der Oberste Gerichtshof der Region Madrid hob am Donnerstag die seit knapp einer Woche geltende Abriegelung der Millionenstadt wieder auf.

Die Richter kippten die Anordnung wegen eines Formfehlers. Das von Spaniens Regierung für die Absperrung der Hauptstadt benutzte Gesetz zum Schutz der öffentlichen Gesundheit decke nicht die entsprechenden Eingriffe in die bürgerlichen Freiheiten.

Die 3,3 Millionen Madrid-Bewohner wussten am Donnerstagnachmittag zunächst nicht, wie es weitergeht. Theoretisch dürfen sie nun die Metropole, den europäischen Brennpunkt der zweiten Corona-Welle, wieder verlassen. Die Polizei hatte zunächst keine rechtliche Handhabe mehr, um die Menschen an der Stadtgrenze aufzuhalten. Entsprechend wurden an etlichen Ausfallstraßen die Straßensperren abgebaut.

Der konservative Bürgermeister Madrids, José Luis Martinez-Almeida, appelliert jedoch an die Bevölkerung, die Situation nicht zu missbrauchen und verantwortungsvoll zu handeln. „Bitte verlassen Sie nur aus unvermeidlichen Gründen das Haus.“ Das gelte auch für das kommende lange Wochenende, das sich dank Spaniens Nationalfest am 12. Oktober bis zum Montag hinzieht. Üblicherweise nutzen Tausende von Madrilenen solche Brückenwochenenden, um aufs Land oder an den Strand zu fahren.

Zugleich forderte Martinez-Almeida die spanische Mitte-links-Regierung auf, zusammen mit der konservativen Madrider Regionalregierung eine rechtlich einwandfreie Lösung zu suchen, um den schweren Virus-Ausbruch im gesamten Einzugsgebiet unter Kontrolle zu bekommen. Es gebe keinen Zweifel, dass die Mobilität der Bürger beschränkt werden müsse. „Die Situation ist schlimm.“

Krisentreffen

Spaniens sozialistischer Gesundheitsminister Salvador Illa kündigte ein Krisentreffen mit der Regionalregierung des Hauptstadtgebiets an, um einen Ausweg aus der verfahrenen Situation zu suchen. „Die Lage ist besorgniserregend. Wir haben harte Wochen vor uns“, sagte Illa. Er hatte vor einer Woche die Hauptstadt und neun große Vorstädte Madrids zum Sperrgebiet erklärt. Die Menschen durften nur zum Arbeiten oder aus anderen triftigen Gründen ihren Wohnort verlassen. Zudem wurde die Sperrstunde für die Gastronomie auf 23 Uhr festgelegt, die Gästekapazität der Lokale halbiert – diese Beschränkungen wurden von den Richtern nicht annulliert.

Vorausgegangen war ein heftiger Streit mit der ultrakonservativen Ministerpräsidentin der Region Madrid, Isabel Diaz Ayuso. Sie hatte sich tagelang geweigert, die Mobilität der Bürger und das Nachtleben zu beschränken, obwohl erschreckend hohe Infektionsraten registriert worden waren. Nach dem Gerichtsurteil zeigte sie sich nun bereit, mit Spaniens Regierung über neue Anti-Corona-Maßnahmen zu verhandeln.

Am Donnerstagnachmittag lag die Sieben-Tage-Inzidenz in der Region Madrid bei 238, in einigen Brennpunktvierteln sogar bei über 500. Die Ärzte in Madrid klagen, dass das örtliche Gesundheitssystem schon wieder vor dem Kollaps stehe. Zum Vergleich: In Berlin, wo nun ebenfalls Corona-Beschränkungen beschlossen wurden, lag die wöchentliche Fallhäufigkeit zuletzt bei 46.