Gewalt„Ich bin nicht Derek Chauvin“: In den USA verunsichern die Ereignisse viele Polizisten

Gewalt / „Ich bin nicht Derek Chauvin“: In den USA verunsichern die Ereignisse viele Polizisten
Dieser Screenshot aus einem von der Polizei von Atlanta zur Verfügung gestellten Körperkameravideo zeigt Rayshard Brooks (r.) beim Gespräch mit Polizist Garrett Rolfe auf dem Parkplatz eines Wendys-Restaurants. Der 27-jährige Brooks wurde am 12. Juni während eines Kampfes von der Polizei erschossen. Die Behörden untersuchen derzeit den Fall. Rolfe wurde nach dem Vorfall aus dem Polizeidienst entlassen. Foto: dpa/AP/Atlanta Police Department

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Der Fall George Floyd wirft ein grelles Schlaglicht auf die Arbeit der Polizisten in den USA. Von Kalifornien bis Massachusetts sind Beamte entsetzt über den Tod des Afroamerikaners, der durch den brutalen Einsatz einer ihrer Kollegen getötet wurde. Und unter vielen Beamten macht sich angesichts der landesweiten Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus Unsicherheit breit. Zum Stolz auf ihren Beruf mischt sich die Erkenntnis, dass Reformen dringend nötig sind, um Rassismus in den eigenen Reihen zu bekämpfen.

„Ich bin nicht Derek Chauvin“, sagte Michael O’Meara, Leiter der Wohltätigkeitsvereinigung der Polizei des Bundesstaates New York, vergangene Woche auf einer Pressekonferenz. Chauvin ist jener weißer Kollege aus Minneapolis, der Ende Mai fast neun Minuten lang sein Knie auf den Nacken des festgenommenen Floyd gedrückt hatte, obwohl dieser mehrfach flehte, er bekomme keine Luft mehr.

Wie O’Meara fühlen sich viele Beamte zu Unrecht in die Ecke gedrängt. Die Vorgehensweise der am Fall Floyd beteiligten Polizisten entspreche nicht der Einstellung der Beamten im gesamten Land, so die vielfach geäußerte Meinung.

Chauvin habe getötet, sagte O’Meara. „Das haben wir nicht. Wir halten uns zurück“, verteidigte er sich und seine Kollegen. Nun wollten viele erreichen, dass „wir uns für unseren Beruf schämen“, fügte O’Meara hinzu. „Hören Sie auf, uns wie Tiere zu behandeln, und fangen Sie an, uns etwas Respekt zu erweisen“, forderte O’Meara verärgert.

Die Strafverfolgungsbehörden im ganzen Land würden für „die Taten eines Kriminellen in Minneapolis“ verantwortlich gemacht, klagte auch Shaun Willoughby, Präsident der Polizeibeamtenvereinigung von Albuquerque in New Mexico. Weil er eine Dienstmarke trage, sei er persönlich plötzlich „ein Problem des systematischen Rassismus im Land“, sagte Willoughby.

Experten sind jedoch der Ansicht, dass Floyds Tod nicht als Einzelfall zu betrachten ist. Studien zufolge stirbt einer von tausend Schwarzen in den USA durch die Hand der Polizei, Afroamerikaner machen die Mehrheit der Todesopfer bei Einsätzen der Polizei aus.

Lernen, mit Menschen zu reden

Schwarze und andere dunkelhäutige Menschen würden viel zu oft durch die Hände der Strafverfolgungsbehörden getötet, sagt Ben Kelso, Präsident der Ortsvertretung San Diego des Nationalen Polizeiverbandes für Schwarze. Bei der Polizeiausbildung würde in der Regel viel zu viel Zeit ins Schusstraining und ins Training zur Festnahme von Menschen investiert. „Aber wir verbringen nicht so viel Zeit damit, einfach nur zu lernen, mit Menschen zu reden“, führt Kelso aus. Denn die beste Waffe, die Polizeibeamte hätten, sei immer noch ihr Mund.

Eine wachsende Zahl an Polizeidienststellen in den USA haben mittlerweile auf den Fall Floyd reagiert. Sie verhängten ein Verbot von Haltetechniken ähnlich der, durch die Floyd starb. Zudem wurden vielerorts die Disziplinarmaßnahmen verschärft. Auch auf Bundesebene werden Reformen eingeleitet.

Der Polizeichef in Cambridge im Bundesstaat Massachusetts sprach sich für härtere Sanktionen gegen Polizisten aus, die ihre Kompetenzen missbrauchen. Branville Bard Jr. berichtete, er als Schwarzer sei schon oft Opfer von Rassismus geworden. „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oft ich schon angehalten wurde“, sagte der Polizeichef. Er habe immer Angst, dass die Situation eskalieren könnte, „weil ich gleichzeitig eine Waffe trage und eine schwarze Haut habe“. (AFP)