/ Hallo – wir leben noch

Von unserem Korrespondenten Heinz Krieger
Die spanische Provinz Teruel leidet unter Entvölkerung. In manchen Dörfern lebt nur noch eine Handvoll Menschen. Der Ruf: „Teruel existe“ – Teruel existiert – ist zum geflügelten Wort geworden. In anderen Regionen ist es ebenso schlimm.
Miravete de la Sierra gibt es noch. Aber man fragt sich wie lange. Das Dorf in der Provinz Teruel, wo es im Sommer heiß und im Winter eiskalt ist, hatte bis in die 1960er knapp 3.000 Einwohner. Heute sind es noch sechs. Noch. Denn zu ihnen zählen Cristobal Sangüesa und seine Frau Herminia. Er ist 95, sie 93 Jahre alt.
Dorf der 90-Jährigen
Dass es Miravete gibt, wussten nur wenige Spanier außerhalb der Provinz. Bis dort vor einigen Jahrzehnten ein Slogan entstand, der landesweit bekannt wurde und die Versuche der lokalen Behörden markierte, der immer schlimmer werdenden Landflucht etwas entgegenzusetzen: „Teruel existe“. Die trotzige Versicherung, dass Teruel noch existiert, wurde zwar zur Kenntnis genommen. Die Leute zogen dennoch weg. Hier gibt es zu wenig Unternehmen und zu wenig Arbeit. Zur harten Arbeit in der Landwirtschaft auf kargen Böden haben vor allem die Jungen keine Lust. Sie suchen die funktionierende Infrastruktur in den Städten, denn in Miravete gibt es weder einen Arzt noch Apotheke, in Notfällen muss auf die Ambulanz aus der 60 Kilometer entfernten Hauptstadt Teruel oder den Hubschrauber gewartet werden. Die nächste Schule ist – besser: wäre – 15 Kilometer entfernt in Allepuz, das aber auch nur 50 Einwohner hat.
Der alte Cristobal Sangüesa glaubt, dass Miravetes im nächsten Winter wohl „zumachen“ werde. Aber im Sommer könnten die Menschen dann wiederkommen, schließlich sei es ein ruhiges Dorf, „sehr kühl, sehr schön, sehr gesund“, wie er dem Reporter einer Zeitung erzählte, der auf der Suche nach dem Ursprung von „Teruel existe“ war.
Von Teruel bis Cuenca
Die gesamte Provinz Teruel, die zur Autonomen Region Aragon gehört, leidet unter Bevölkerungsschwund. Auf durchschnittlich tausend Metern Höhe leben auf 14.800 Quadratkilometern nur 136.000 Menschen – neun Personen pro Quadratkilometer. Die Provinzhauptstadt Teruel ist bekannt für ihr architektonisches Erbe aus der maurischen Besatzung, das zum Weltkulturerbe gehört. Sie hält ihre Einwohnerzahl von rund 35.000, aber auf dem Land sieht es anders aus. 40 Prozent aller Dörfer haben nur noch weniger als 100 Einwohner.
Ähnlich ist die Lage in anderen Regionen. In Olmeda de la Cuesta in der Provinz Cuenca hatte der Bürgermeister die Idee, die leerstehenden Häuser und Grundstücke für einen Schleuderpreis anzubieten, um wieder Menschen in sein entvölkertes Dorf zu holen. Das beste Schnäppchen: Ein noch bewohnbares kleines Häuschen mit 60 Quadratmetern Wohnfläche für 200 Euro – Kauf, nicht Miete. Einige junge Paare aus Madrid zogen zu, eine Familie von Einwanderern aus Venezuela. Doch verkauft wurden nur sechs Häuser. Jetzt denkt Bürgermeiste José Luis Regacho über ein neues Angebot nach, diesmal als Versteigerung.
Spaniens Dörfer bluten aus
In Spanien stehen viele Dörfer leer. Die jungen Menschen ziehen in die Städte, die alten Dorfbewohner sterben aus. Von den 8.000 Dörfern Spaniens haben 15 Prozent nur noch weniger als 100 Einwohner. Knapp 3.000 sind völlig verlassen.
Die Gründe für die Landflucht in Spanien liegen vor allem in der Überalterung der Dorfbevölkerung. Die Jungen gehen weg, in mittlere und große Städte. Auf dem Land kann man trotz harter Arbeit nicht genug verdienen. Das trifft auch auf ärmere Gegenden im Süden zu, im östlichen Andalusien, in der sommerheißen und winterkalten trockenen Extremadura. Ganze Dörfer stehen auch dort leer. Noch mehr sind es aber im grünen Norden, in Galicien und Asturien.
Es werden immer mehr. 500 bis tausend Dörfer in ganz Spanien stehen vor dem Aussterben. 15 Prozent der 8.117 bewohnten Dörfer haben nur noch weniger als 100 Einwohner. Von diesen zählen 461 sogar weniger als 50 Bewohner. Und die sind überwiegend im Rentenalter.
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