DeutschlandGrüne Bremser, dunkelrote Treiber: Mögliche Bündnispartner reagieren auf Scholz-Kandidatur

Deutschland / Grüne Bremser, dunkelrote Treiber: Mögliche Bündnispartner reagieren auf Scholz-Kandidatur
Grünen-Chef Robert Habeck bleibt angesichts der Nominierung von Olaf Scholz und einer möglichen rot-rot-grünen Koalition gelassen Foto: dpa/Britta Pedersen

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Erst das rot-rot-grüne Plädoyer von SPD-Chefin Saskia Esken, dann die Kür von Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten – Grüne und Linkspartei reagieren unterschiedlich auf die aktuelle Entwicklung bei den Sozialdemokraten. Die einen bremsen, die anderen fühlen sich als Treiber.

Für seine Partei ändere die Scholz-Kandidatur „gar nichts“, hatte Grünen-Chef Robert Habeck schon kurz nach Bekanntwerden der Personalie am Montag gesagt. Auch die Verlockung eines künftigen Linksbündnisses womöglich sogar unter grüner Regie ließ Habeck unbeeindruckt an sich abperlen: Alle wahlstrategischen Fragen werde man dann beantworten, „wenn wir es für richtig halten“.

Tatsächlich unterscheidet sich die Versuchsanordnung bei Grünen und SPD fundamental, um bei der Bundestagswahl in gut einem Jahr maximale Erfolge zu erzielen. Während die Genossen in der frühzeitigen personellen Festlegung eine Tugend sehen, soll bei den Grünen alles auf den letzten Drücker geschehen. Es gilt als sicher, dass Habeck und die Co-Vorsitzende Annalena Baerbock die Spitzenkandidatur unter sich ausmachen werden. Voraussichtlich aber erst weit im nächsten Jahr, um die politische Konkurrenz so lange wie möglich im Unklaren zu lassen. Das hat auch mit der Frage zu tun, ob der grüne Spitzenkandidat Kanzlerkandidat sein soll. Derzeit würde wohl niemand daran Anstoß nehmen. In den Umfragen lag man in den letzten Monaten stets vor der SPD. Aber das kann sich auch wieder ändern. Eine grüne Kanzlerkandidatur wäre dann eher ein Lacher statt Kracher.

Was eine mögliche Machtoption links von der Union angeht, so hatten sich die Grünen daran bereits in früheren Wahlen versucht. Beim grünen Wahlparteitag im Jahr 2013 etwa trat der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel sogar als Gastredner auf. Aber genützt hat es nichts. Das erklärt auch, warum eine solche Konstellation für viele Grüne mittlerweile unrealistisch geworden ist und man eher den Schulterschluss mit den „Schwarzen“ sucht, um endlich wieder mitregieren zu können. Allein der frisch gebackene SPD-Kanzlerkandidat könnte die schwarz-grünen Träume zum Platzen bringen. Denn als Vizekanzler unter Angela Merkel, die bekanntlich nicht mehr antritt, könnte Olaf Scholz Merkel-Wähler ansprechen, die ihr Kreuzchen ansonsten vielleicht bei den Grünen gemacht hätten.

Kritik von den linken Linken

Die Linken haben den SPD-Ball einer rot-rot-grünen Option indes dankbar aufgenommen. Bislang war man hier ein einsamer Rufer in der Wüste. „Wir sind jetzt koalitionspolitisch im Geschäft“, zeigte sich ein führender Genosse zufrieden. Im Realo-Lager hält man die Kandidatur des eher „rechten“ Scholz sogar für eine glückliche Fügung. Aus Kalkül: Zum einen verliere Rot-Rot-Grün dadurch seinen Schrecken, und zum anderen lasse Scholz der Linken viel Platz, besonders bei der Sozialpolitik. Parteichefin Katja Kipping machte bereits Druck: „Wir werden uns inhaltlich mit der SPD nichts schenken“, kündigte sie gestern an. Zur Scholz-Kandidatur äußerte sich Kipping zurückhaltender: „Er steht für Inhalte, gegen die wir hart protestiert haben.“ Aber sie gestehe auch ihm zu, sich inhaltlich neu zu orientieren, so Kipping versöhnlich.

Bei den ganz linken Linken ist Scholz dagegen jetzt schon politisch verbrannt: „Die Wahrscheinlichkeit, dass es nach der Bundestagswahl eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün geben wird, ist nach seiner Nominierung noch kleiner geworden, da er für genau den politischen Kurs steht, dem die SPD ihre 14 Prozent verdankt, kritisierte Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht gegenüber dem Tageblatt.

Dabei wüsste man auch von der Linken gern, wen sie als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl ins Rennen schickt. Der Zeitpunkt für die Entscheidung ist ebenfalls noch unklar.