Großbritannien / Gegen die Herausforderung durch China: Johnson predigt Demokratie und freie Märkte

Premierminister Boris Johnson auf dem Weg zum Unterhaus, um dort die neue Außen- und Sicherheitspolitik seiner Regierung vorzustellen
Weltweit Bündnispartner im Kampf gegen die Klimakrise suchen; die NATO gegen russische Aggression stärken; der „strategischen Herausforderung“ Chinas durch eine Neuorientierung auf den indopazifischen Raum begegnen – Großbritannien setzt sich in der Außen- und Sicherheitspolitik nach dem Brexit ehrgeizige Ziele.
„Wir wollen die internationale Ordnung erhalten, in der offene Gesellschaften und Freihandel gedeihen können“, sagte Premierminister Boris Johnson am Dienstag im Unterhaus. Demokratie und freie Märkte, basierend auf Meinungsfreiheit, seien dafür die beste Voraussetzung. Mit ihrer „integrierten Beurteilung“ (integrated review) will die britische Regierung die häufig konkurrierenden Felder der Außen- und Verteidigungspolitik sowie der Entwicklungshilfe zusammenbinden und mit der inneren Sicherheit verknüpfen. Das ehrgeizige Projekt sollte eigentlich schon im vergangenen Jahr, zeitlich passend zum EU-Austritt, vorgestellt werden. Diesem Zeitplan machte die Covid-Pandemie einen Strich durch die Rechnung.
Nun soll es den globalen Anspruch der sechstgrößten Industrienation der Welt unterstreichen, die in diesem Jahr den Vorsitz in der G7-Runde westlicher Industrienationen führt sowie als Gastgeber der UN-Klimakonferenz fungiert. Das Vereinigte Königreich werde damit „seiner Verantwortung als permanentes Mitglied des UN-Sicherheitsrates“ gerecht, betonte Johnson.
Das rund 100-seitige Dokument stellt programmatisch „Wissenschaft & Technik“ an den Anfang. Denn besonders das Militär will seine nochmals geringer werdende Manpower durch gewaltige Investitionen auf dem Feld der künstlichen Intelligenz (KI) ausgleichen. Die Verteidigung des Landes brauche „ein digitales Rückgrat“, beschreibt General Patrick Sanders die Herausforderung: „Wir müssen unsere Kriegsführung dem Informationszeitalter anpassen.“
Nukleare Aufrüstung
Der General der Infanterie leitet das Strategiekommando, eine Koordinationsstelle der drei Teilstreitkräfte Royal Army, Royal Navy und Royal Airforce, und formuliert ein ehrgeiziges Ziel: „Wir wollen die weltweit führende integrierte Streitmacht werden.“ Ausdrücklich zählen dazu auch Cyberspace und Weltraum. Mit einer weltweit einsetzbaren Berufsarmee stellt das NATO-Mitglied neben Frankreich die führende Militärnation Europas dar. Die Nuklearbewaffnung soll von 180 auf 260 Sprengköpfe aufgestockt werden. Begründet wird dies damit, dass andere Nuklearmächte ihre Arsenale „vergrößern und breiter fächern“.
Die Hinwendung zum Indopazifik – „zunehmend das geopolitische Zentrum der Welt“, so das Regierungsdokument – haben führende Brexiteers seit langem gepredigt. Neben der Hoffnung auf mehr Handel mit den rasch wachsenden Ländern Südostasiens spielt dabei auch die Eindämmung der aggressiveren chinesischen Außenpolitik eine wichtige Rolle. Ausdrücklich verweist Johnson auf den Besuch des neugebauten Flugzeugträgers „HMS Queen Elizabeth“ in der Region in diesem Frühjahr. Zur Betonung der transatlantischen Partnerschaft (und zum Ausgleich für eigene Lücken) hat das Flaggschiff der Royal Navy eine Staffel von F35-Kampfjets der US Airforce an Bord.
Entwicklungshilfe aufstocken
Die lang gehegte Hoffnung, das nationalkommunistische Regime werde mit zunehmendem Reichtum westliche Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit übernehmen, „ist eindeutig Unsinn“, glaubt Alexander Younger, bis zum vergangenen Jahr Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6. Der Vorstellung der britischen Regierung zufolge soll der Handel mit China aber weiterhin ausgebaut werden. Allerdings gilt dies nicht für wichtige Infrastruktur. Beispielsweise schloss Johnson im vergangenen Jahr den chinesischen Telekom-Riesen Huawei von der Beteiligung am 5G-Mobilfunknetz aus. London hat sich zuletzt mehrfach öffentlich gegen die systematische Unterdrückung der uigurischen Minderheit sowie die Gleichschaltung Hongkongs gestellt.
Anders als die in London weitgehend unumstrittene Einstufung Russlands als „wichtigste staatliche Bedrohung“ verursacht die neue China-Skepsis manchen Außenpolitik-Experten Bauchschmerzen. Diese stelle ökonomischen Wahnsinn dar, glaubt Joseph Johnson, konservativer Lord und Bruder des Premierministers. „Wenn wir dem harten Brexit den Bruch mit China folgen lassen, gleicht Britannien einem Flugzeug, das beide Triebwerke verloren hat.“
Mittelfristig aufstocken, und zwar auf 0,7 Prozent des Inlandsprodukts, will der Premierminister die Entwicklungshilfe. Großbritannien hatte dieses UN-Ziel im vergangenen Jahrzehnt erreicht und sogar gesetzlich festgeschrieben. Im vergangenen Jahr kündigte die Regierung aber eine Reduzierung auf 0,5 Prozent an. Begründet wurde dies mit der Zerrüttung der Staatsfinanzen durch die Corona-Pandemie.
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