Gedenken an Aufstand gestaltet sich schwierig

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Am Donnerstag vor 75 Jahren kam es im jüdischen Ghetto von Warschau zum Aufstand. Das angespannte Verhältnis zwischen Polen und Israel überschattet die Feier.

Am Donnerstag vor 75 Jahren kam es im jüdischen Ghetto von Warschau zum Aufstand. In der polnischen Hauptstadt wird der Jahrestag gefeiert, doch das angespannte Verhältnis zu Israel wirft einen Schatten auf die Feier.

Von unserem Korrespondenten Jens Mattern

In Warschau werden wieder aus Papier gefaltete Osterglocken verteilt, die sich die Bewohner ans Revers stecken. Es waren die Lieblingsblumen von Marek Edelman, dem ehemaligen Ghetto-Kommandanten, der diese jeden 19. April in Warschau vor dem Denkmal des Ghetto-Denkmals niederlegte.

Ringen um das Vermächtnis

Vor rund 75 Jahren, am 19. April 1943, brach dort der Aufstand der jüdischen Bewohner los. Sie wussten, dass das Ghetto, der eingemauerte Wohnbezirk für Juden innerhalb Warschaus, durch die SS und ihre Hilfstruppen aufgelöst werden sollte und ihnen der Tod im Vernichtungslager Treblinka drohte. Insgesamt kamen 5.000 bis 7.000 Bewohner des Ghettos bei den Kämpfen ums Leben, 50.000 wurden in die Gaskammern Treblinkas und in das Konzentrationslager Majdanek deportiert. Am 16. Mai 1943 erklärte der SS-Brigadeführer Jürgen Stroop den Aufstand für beendet.

Nur wenige der jüdischen Partisanen entkamen, darunter Edelmann, der sich im August 1944 dem Warschauer Aufstand anschloss, der ebenfalls niedergeschlagen wurde. Edelman, der später als Kardiologe arbeitete und 2009 im Alter von 87 Jahren starb, war die Stimme der Verstorbenen und eine internationale Autorität. Doch die Zeitzeugen sterben immer mehr aus. Und damit beginnt ein Problem: Wer sind die Erben des Aufstandes, wer verwaltet ihr Vermächtnis?

Präsident lädt Gast aus Israel ein

Schon im Vorfeld zeichnen sich hierzu Konflikte ab. So protestiert die Vertraute von Edelman, Paula Sawicka, dass das Denkmal weitgehend abgesperrt sei, sodass keine Blumen niedergelegt werden können. Sie hat einen alternativen Gedenkmarsch angekündigt. Henryk Szlajfer, ein Politologe jüdischer Herkunft, kritisierte, dass der polnische Staatspräsident Andrzej Duda bislang zu antisemitischen Sprüchen von Personen des Regierungslagers geschwiegen habe und will darum ebenfalls nicht teilnehmen.
Diesmal lädt allein der polnische Staatspräsident zu den Feierlichkeiten, an dem ein Gast aus Israel teilnehmen wird, der noch nicht bekannt ist. Das Museum zur Geschichte der Juden in Polen „Polin“, das die Papierblumen verteilt, wirkt nicht mehr als Ausrichter. Warum, kann oder will die Pressestelle nicht sagen.

Verhältnis der Länder ist angespannt

Allgemein gilt, dass das Verhältnis zwischen der nationalkonservativen polnischen Regierung und Israel ist belastet ist. Polen ist bemüht, es zu verbessern, strebt jedoch eine Deutungshoheit über die Geschichte des Zweiten Weltkriegs auf seinem Territorium an. Stein des Anstoßes: Warschau erließ ein Gesetz, das Aussagen, Polen hätte als Nation an Naziverbrechen teilgenommen, unter Haftstrafe stellt. Ausgelöst wurde die Novelle, die seit März in Kraft ist, durch den Gebrauch des Ausdrucks „Polnische Todeslager“ in westlichen Medien, gegen den das polnische Außenministerium seit 2004 mit Klagen vorgeht. Israel sieht so die Forschung zum Holocaust behindert.

Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin sprach bei seinem Besuch in Auschwitz von einem „großen Schatten“, der auf den Beziehungen beider Länder liege. Andererseits lief er zusammen mit Duda den „Marsch der Lebenden“ von dem Arbeitslager Auschwitz zum Vernichtungslager Birkenau, was in Israel aufmerksam registriert wurde.
Dies ist auch das positive Bild, das die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) vom polnisch-jüdischen Verhältnis hervorheben will. Des Ghetto-Aufstands wird diesmal besonders gedacht, mit Einbeziehung der Kirche. Erstmals läuten die Glocken, heulen die Sirenen in der Stadt, wenn vor dem elf Meter hohen Ehrenmal des Bildhauers Nathan Rappaport Kränze niedergelegt werden. Danach wird das Ringen um das Gedenken weitergehen. Zumal die polnische Regierung ein Museum zum Warschauer Ghetto plant und dort ihre Sichtweise durchsetzen will.

 

Scholnier
18. April 2018 - 10.44

Verständlich dass Polen Probleme mit der Vergangenheitsbewältigung hat, schenkt mam den Nachforschungen des polnischen Historiker Marcin Zaremba Glauben , haben die Polen sich nicht ruhmreich gegenüber ihren jüdischen Mitbürgern verhalten und bishin in die Nachkriegszeit der Bazillus des Antisemitismus das Zusammenleben von Juden und Polen verpestete. Der Aufstand des Warschauer Ghettos ist Symbol für Widerstand des jüdischen Volkes gegen ihre Peiniger, dem sollte Rechnung getragen werden und auch Polen, wobei Ehre jenen Polen die die Juden unterstützten, sich der Vergangenheitsbewältigung stellen soll.