DeutschlandFünf Jahre gesetzliche Lohnuntergrenze: DGB zieht gemischte Bilanz

Deutschland / Fünf Jahre gesetzliche Lohnuntergrenze: DGB zieht gemischte Bilanz
Der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil will den Mindestlohn erhöhen Foto: dpa/Michael Kappeler

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Am 1. Januar 2015 trat in Deutschland der allgemeine Mindestlohn in Kraft. Nach dem Mindestlohngesetz ist in diesem Jahr eine Überprüfung der Bestimmungen vorgeschrieben. Dem Vernehmen nach will der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in der kommenden Woche dazu einen Evaluationsbericht vorlegen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) pocht schon jetzt auf Nachbesserungen.

„Nach fünf Jahren Mindestlohn ziehen wir eine gemischte Bilanz“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell dem Tageblatt. Von der Einführung des Mindestlohns von anfänglich 8,50 Euro hätten vier Millionen Beschäftigte unmittelbar profitiert, heißt es in einem aktuellen DGB-Beschluss, der unserer Redaktion vorliegt. Auch habe der Mindestlohn den Wettbewerb in Deutschland weder negativ beeinflusst noch zu einer Bedrohung einzelner Branchen geführt. In dem Papier wird zudem vorgerechnet, dass ein Cent mehr Mindestlohn einen Kaufkraftgewinn von 20 Millionen Euro pro Jahr bedeutet. Allein durch die letzten Anpassungen in 2019 und 2020 hätten die Beschäftigten so insgesamt mehr als 1,7 Milliarden Euro zusätzlich im Portemonnaie. „Damit stärkt der Mindestlohn nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie den Konsum und wird zur Konjunkturstütze“, heißt in der Analyse.

Kritisch wird indes vermerkt, dass immer noch Millionen Menschen keinen Mindestlohn bekämen, weil sie nach dem Gesetz nicht anspruchsberechtigt seien oder weil er ihnen gesetzeswidrig vorenthalten werde. „Für viele Beschäftigte am untersten Einkommensrand hat sich das Lohngefüge stabilisiert. Es gibt aber immer noch viel zu viele kriminelle Arbeitgeber, die den gesetzlichen Mindestlohn umgehen. Deshalb müssen die Kontrollen und die Strafen im Betrugsfall verschärft werden“, resümierte Körzell.

Arbeitsminister will „weiterentwickeln“

Die allgemeine Lohnuntergrenze wird von einer unabhängigen Kommission aus Vertretern von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und der Wissenschaft festgelegt. Zuletzt hatte sich das Gremium darauf geeinigt, den Mindestlohn bis Mitte 2022 schrittweise von jetzt 9,35 Euro auf dann 10,45 Euro anzuheben. Maßstab für eine reguläre Anhebung sind laut Mindestlohngesetz die jeweils vorherigen Tarifabschlüsse. Im Zuge der für 2020 vorgeschriebenen Überprüfung der Regularien ließe sich davon aber auch abweichen. Für den DGB eine passende Gelegenheit, den Mindestlohn „zügig auf zwölf Euro brutto je Zeitstunde zu erhöhen“, wie es in dem Beschlusspapier heißt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kommen knapp zehn Millionen Beschäftigte auf eine geringere Stundenvergütung. Das ist etwa jede vierte Erwerbsperson in Deutschland. „Wir erwarten, dass die Politik eingreift, um den Mindestlohn armutsfest zu machen. Gleichzeitig braucht es aber auch Maßnahmen, um die Tarifbindung zu stärken“, erklärte Körzell.

Arbeitsminister Heil steht solchen Forderungen aufgeschlossen gegenüber. Zwar will er nicht am jüngsten Beschluss der Mindestlohnkommission rütteln. Bereits im Juli hatte der SPD-Politiker aber klargestellt, dass ihm diese Anpassung nicht ausreiche. Bei der Haushaltsdebatte im Bundestag bekräftigte Heil gestern noch einmal seine Linie: Die aktuelle Erhöhung könne nur ein Schritt sein. Er werde Vorschläge unterbreiten, um den Mindestlohn „weiterzuentwickeln“, so der Minister. Eine Maßgabe dafür, auch das hatte Heil schon im Sommer erwähnt, könnte die Entwicklung der mittleren Einkommen sein. Als Faustformel gilt: Wer wenigstens 60 Prozent des mittleren Einkommens hat, ist nicht armutsgefährdet. Für einen Vollzeitbeschäftigten entspricht das laut DGB rund zwölf Euro pro Arbeitsstunde.