EU-AußengrenzeFrontex wird den Grenzschutz zwischen Litauen und Belarus verstärken

EU-Außengrenze / Frontex wird den Grenzschutz zwischen Litauen und Belarus verstärken
Beim Besuch des Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, an der Grenze zu Belarus am 6. Juli waren bereits die ersten Frontex-Beamten in Litauen angekommen Foto: AFP/Petras Malukas

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Litauen hat wegen der rapide steigenden Zahl an illegalen Grenzübertritten aus dem benachbarten Weißrussland eine Schnellintervention von Frontex-Grenzschutzbeamten angefragt. Er werde dieser Anfrage nachkommen, sagte Frontex-Direktor Fabrice Leggeri gestern während einer Anhörung im Europäischen Parlament über die Situation an der litauisch-belarussischen Grenze.

Für die Litauer steht fest, dass sich der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko wegen der Unterstützung Litauens für die belarussische Opposition rächt, indem er immer mehr Menschen auf illegalem Wege in die baltische Republik schleusen lässt. 1.660 illegale Grenzübertritte seien bereits seit Anfang des Jahres gezählt worden, sagte die litauische Innenministerin Agne Bilotaite gestern vor EU-Abgeordneten des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, sowie dem Außenausschuss. Was für das Land enorm ist, hatte Litauen es im Jahr 2019 mit gerade einmal 37 und im vorigen Jahr mit 74 illegalen Einwanderern zu tun. Bei denen es sich hauptsächlich um Russen und Weißrussen gehandelt hat. „Und die Situation verschlechtert sich von Woche zu Woche“, erklärte die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson.

Wie der genaue Modus Operandi aussehe, werde derzeit noch untersucht, erklärte die Schwedin weiter. Doch sei es wohl so, dass die Migranten mit kommerziellen Flügen aus Istanbul und Bagdad nach Minsk gelangen. Den Leuten werde dann bis zur Grenze geholfen, die sie zu Fuß an jenen Stellen überquerten, die am wenigsten gut bewacht seien. In Litauen angekommen, würden die Menschen Asyl beantragen. Erkenntnissen von Europol zufolge würden die Migranten 15.000 Euro zahlen, um über die Grenze zu kommen, berichtete Ylva Johansson weiter. Auch in Polen seien bereits einige angekommen. Erschwerend komme hinzu, dass Belarus am 28. Juni angekündigt habe, das Rückübernahmeabkommen bei illegalen Grenzübertritten mit der EU auszusetzen.

Ohne Visa nach Belarus

Ihr Land sei mit einem „hybriden Angriff“ konfrontiert. „Illegale Migration wird als Waffe eingesetzt“, meinte Agne Bilotaite. Das alles sei „Teil einer hybriden Kriegsführung“. Sie würden befürchten, dass bis zum Ende des Jahres 18.000 Menschen die Grenze zwischen Belarus und Litauen überquert haben könnten, wenn die Zahlen im derzeitigen Rhythmus steigen würden, sagte der stellvertretende Innenminister Litauens, Arnoldas Abramavicius. Dabei sei das Land jetzt bereits an seinen Aufnahmekapazitäten angelangt, da es nicht auf solche Situationen vorbereitet ist.

Dass diese Befürchtungen nicht unbegründet sind, lassen einige Bemerkungen vom Direktor der europäischen Grenzschutzagentur vermuten, der meinte, dass der Druck auf die litauische Grenze in der kommenden Zeit steigen könnte. So erklärte Fabrice Leggeri, das Regime in Minsk habe die Menschen aus „37 Ländern ermutigt, ohne Visa nach Belarus einzureisen“. Dies gelte ab dem 15. Juli. Dort hätten sie dann fünf Tage Zeit sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. „Wir müssen sehen, was mit diesen Einladungen geschieht“, sagte Fabrice Leggeri. Die Hälfte der in Litauen ankommenden illegalen Migranten kommen den Angaben zufolge aus dem Irak. Andere kommen aus dem Iran und Syrien, seit Anfang Juli würden vermehrt Menschen aus afrikanischen Ländern wie dem Senegal, dem Kongo, Mali und Gambia über die Grenze kommen. Fabrice Leggeri erklärte, dass es sich bei Letzteren zum Teil auch um Studenten handele, die sich sowohl die gestiegenen Studiengebühren in Belarus als auch ein Rückflugticket in ihre Heimat nicht mehr leisten könnten.

In Sachen illegaler Migration erpressbar

Viele der illegalen Migranten seien vorher aber aus Istanbul oder Bagdad angereist. Deren Zahl könnte steigen, da, wie Fabrice Leggeri weiter ausführte, demnächst größere Maschinen für die Flüge zwischen Minsk und Bagdad eingesetzt würden, womit die Sitzkapazität von derzeit 1.700 auf 2.700 monatlich erhöht werde. Zudem brachte er die Möglichkeit ins Spiel, dass weitere Migranten über Russland zur Grenze gebracht werden könnten. Das sei „eine ernste Angelegenheit“, kommentierte der Frontex-Direktor, weshalb er die Anfrage aus Litauen für eine Schnellintervention der Grenzschutzagentur „sofort akzeptiert“ habe.

Zu Beginn des Monats hatte Frontex bereits die ersten Grenzschutzbeamten sowie Patrouillenfahrzeuge nach Litauen geschickt. Dutzende weitere Grenzschutzbeamte sollen nun folgen, sowie zwei Hubschrauber und Patrouillenfahrzeuge mit Wärmesichtgeräten. Zudem hat Litauen zur Bearbeitung der Asylanträge rund 90 Experten beim Europäischen Unterstützungsbüro für Asylanfragen angefordert. Denn zur Bearbeitung der Asylanträge werden unter anderem Dolmetscher und Juristen benötigt.

Vonseiten der EU-Parlamentarier gab es allerdings nicht nur Unterstützungszusagen, sondern auch Kritik am EU-Rat. So meinte die deutsche sozialdemokratische EP-Abgeordnete Birgit Sippel, die EU wäre in Sachen illegaler Migration weniger erpressbar, wenn sich die EU-Staaten über die seit Jahren anhängige Reform der EU-Asylgesetzgebung einigen würden. Dem schloss sich die niederländische Liberale Sophie I’nt Veld an, die ihrerseits meinte, dass die EU dann durchaus mit dieser relativ geringen Zahl an illegalen Migranten umgehen könne.