ÖsterreichFPÖ will sich mit gezielten Provokationen aus Ibiza-Tief hieven

Österreich / FPÖ will sich mit gezielten Provokationen aus Ibiza-Tief hieven
FPÖ-Chef Norbert Hofer (l.) unterstützt den Gebrauch der „Nazi-Sprache“ in seiner Partei Foto: Helmut Fohringer/APA/dpa

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Die FPÖ setzt in ihrem krampfhaften Bemühen um Ablenkung vom Ibiza-Skandal wieder einmal auf Provokationen im Nazi-Jargon. Jetzt empfiehlt sie sich als „Unkrautbekämpfungsmittel“ gegen Zuwanderer.

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz gibt sich keiner Illusion hin: „Hoch gewinnen werden wir das nimma (nicht mehr, Anm.)“, sagte er in einem Interview mit Blick auf die Landtagswahlen in Wien im Oktober und gab gleich einen Vorgeschmack auf die Strategie, die seiner Partei zumindest den Absturz in die Einstelligkeit ersparen soll. „Ein Unkrautbekämpfungsmittel, das das Problem bei der Wurzel – nämlich der ungezügelten Zuwanderung – packt, ist nötig“, findet Schnedlitz und empfiehlt damit seine Partei als Polit-Herbizid.

Die empörten Aufschreie hat der Parteigeneral wohl ebenso einkalkuliert wie den mehr oder weniger offenen Beifall aus der auf etwa 15 Prozent geschätzten FPÖ-Kernwählerschicht, die mit solchen Sprüchen zu mobilisieren ist. Die Umstände sind aus der rechtspopulistischen Perspektive gerade günstig: Ende Juni hatten sich in Wien-Favoriten rechtsextreme Türken und linksextreme Kurden Straßenschlachten geliefert, am vergangenen Wochenende hatte ein tschetschenisches Killerkommando einen Landsmann im Wiener Vorort Gerasdorf regelrecht hingerichtet. Die türkis-grüne Bundesregierung hat zwar gleich klargestellt, dass man dem Import ausländischer Konflikte nach Österreich mit „null Toleranz“ begegnen werde, doch die FPÖ mag es immer noch ein bisserl härter. „Nicht Samt-, Kettenhandschuhe sind gefragt“, sagt Schnedlitz und bekräftigt bei der Gelegenheit auch eine Provokation seines Parteichefs Norbert Hofer. Der hatte vor drei Wochen mit der Feststellung, der Koran sei gefährlicher als Corona, für Empörung gesorgt. Damit habe Hofer „Ecken und Kanten gezeigt“, freut sich der Generalsekretär darüber, dass der einst als „netter Rechter“ mit dem Einlullen bürgerlicher Wähler betraute Nachfolger des über „Ibizagate“ gestolperten Heinz-Christian Strache die Weichei-Maske endgültig hat fallen lassen.

Willkommener Protest

Sicher freut sich die FPÖ-Spitze auch über das breite Protestecho, das erst Hofers Koran-Sager und jetzt Schnedlitz’ Unkrautvernichtungsvorstoß ausgelöst hat. Daraus erwächst die Chance, im beginnenden Wahlkampf thematisch vom allgegenwärtigen Ibiza-Skandal abzudriften. So angebracht die scharfen Reaktionen sind, so willkommen sind sie den darniederliegenden Freiheitlichen. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch wirft Schnedlitz „eine indirekte Massenmorddrohung“ vor. Dessen „Nazi-Sprache“ sei „abstoßend und widerwärtig“. Neos-Generalsekretär Nick Donig ortet einen „neuen Tiefpunkt in der politischen Sprache“, zu dem der brutale Kampf um das rechtsnationalistische Wählerpotential zwischen ÖVP und FPÖ führe. Die grüne Abgeordnete Eva Blimlinger sieht die Aussage „in der Tradition einer nationalsozialistischen Rhetorik und Politik, die auf das Schärfste zurückzuweisen ist“. Schnedlitz müsse „selbstverständlich sofort zurücktreten“.

Rückendeckung von Hofer

Was dieser selbstverständlich nicht tun wird. Vielmehr erfreut er sich der Rückendeckung sowohl durch den Parteichef als auch den Wiener FPÖ-Spitzenkandidaten Dominik Nepp. Hofer rechtfertigt Schnedlitz’ Spruch mit einer Spitzfindigkeit: Nicht Zuwanderer, sondern die Zuwanderung sei mit Unkraut verglichen worden. Das findet Hofer okay. Nepp wiederum dreht den Spieß um und macht die SPÖ von Bürgermeister Michael Ludwig verantwortlich für die Pestizid-Fantasien der Rechtspopulisten: „Straßenschlachten von Migranten-Mobs und Tschetschenen-Banden, die sich auf offener Straße gegenseitig ermorden“ seien zurückzuführen auf „SPÖ-Zuwanderungsfanatiker, die über Jahrzehnte mit großzügigen Sozialhilfen Migranten aus aller Herren Länder nach Österreich und insbesondere nach Wien gelockt haben“, sucht Nepp sein Heil im Ausländer-Bashing. Ob diese alte FPÖ-Rechnung auch nach Ibiza noch einmal aufgeht, wird sich am 11. Oktober herausstellen.