ÖsterreichFPÖ verliert drei Viertel ihrer Wähler in Wien

Österreich / FPÖ verliert drei Viertel ihrer Wähler in Wien
Der einstige Liebling der Rechtspopulisten und ehemalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist als Politiker nicht mehr gefragt, was er bei der Wien-Wahl nun auch von den Wählern bestätigt bekam Foto: AFP/APA/Hans Punz

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Drei Viertel ihrer Wähler hat die FPÖ bei den Wiener Wahlen verloren. Die Ursache für den rechtspopulistischen Super-GAU – Ibiza-Gate-Hauptdarsteller Heinz-Christian Strache – könnte der Politik aber erhalten bleiben.

Schwarzer Tag für die Blauen im roten Wien: Während Bürgermeister Michael Ludwig nach dem SPÖ-Anstieg um zweieinhalb auf gut 42 Prozent aus drei möglichen Koalitionspartnern – Grüne, Neos oder ÖVP – auswählen kann, kam es für die Rechtspopulisten bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen am Sonntag noch schlimmer als erwartet. Eine Halbierung hatte FPÖ-Stadtchef Dominik Nepp schon einkalkuliert, tatsächlich aber haben sich fast drei Viertel der FPÖ-Wähler vertschüsst. Die 30,8 Prozent, die Strache 2015 noch für die FPÖ geholt hatte, sind auf 7,7 Prozent geschrumpft.

Und nur ein kleiner Teil der Abtrünnigen ist zum „Team HC Strache“ übergelaufen, mit dem der Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef nach eigenem Bekunden „wie Phönix aus der Asche“ aufsteigen wollte. Mit rund dreieinhalb Prozent der Stimmen ist die Strache-Partei so klar an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, dass auch die am Montag noch laufende Auszählung der Briefwahlstimmen daran nichts mehr ändern konnte. Auch insgesamt betrachtet ist das rechtspopulistische Lager also um zwei Drittel geschrumpft. Allerdings muss diese Einschätzung insofern relativiert werden, als die ÖVP mit Finanzminister Gernot Blümel als Spitzenkandidat im Wahlkampf auf einen rechtspopulistischen Kurs gesetzt hatte – etwa mit der strikten Ablehnung einer Aufnahme von Migranten aus dem griechischen Lager Moria. „Mitte-rechts-Politik mit Anstand“ nannte Blümel diesen Kurs, welcher den Türkisen von Kanzler Sebastian Kurz eine Verdoppelung auf knapp 19 Prozent bescherte, aber wohl in der Mitte Stimmen gekostet haben dürfte.

Der FPÖ-Absturz geht zwar voll auf das Konto des Ex-Vorsitzenden, war allerdings nicht bloß die Rechnung für dessen Ibiza-Skandal. Denn für das Ende Mai 2019 aufgetauchte Video, in dem Strache mit einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte vor versteckter Kamera Korruptionsfantasien gewälzt hatte, war die FPÖ schon wesentlich milder abgestraft worden. Bei den Europawahlen unmittelbar nach Platzen der Ibiza-Bombe waren sie mit einem kleinen Minus von zweieinhalb Prozentpunkten davongekommmen. Und auch bei der Nationalratswahl vor einem Jahr sackten die Blauen „nur“ um neun auf immerhin noch 16 Prozent ab.

Strache vor Existenzfrage

Seither hat sich der Ibiza-Skandal zu einem Spesenskandal ausgeweitet – ebenfalls mit Strache als Hauptdarsteller. Dessen ehemaliger Bodyguard hat gestanden, im Auftrag des Chefs der Partei mit gefälschten Belegen private Ausgaben Straches in Rechnung gestellt zu haben. Und es geht dabei nicht um Peanuts. Die mutmaßlich zu Unrecht verrechneten Kosten sollen sich über die Jahre auf 580.000 Euro summiert haben. Strache bestreitet zwar jeglichen Betrug, die „kleinen Leute“ aber, die die FPÖ zu vertreten vorgibt, sehen angesichts solcher Summen rot – auch dann, wenn die horrenden Rechnungen in Ordnung wären. Der Versuch der FPÖ, sich selbst als Betrugsopfer darzustellen, ist gescheitert, weil Strache-Nachfolger Dominik Nepp als ehemaliger Finanzreferent der Wiener FPÖ auf jeden Fall versagt hat: entweder weil er das Spesenparadies geschehen oder sich übers Ohr hauen ließ.

Für Strache ist das Scheitern bei der Gemeinderatswahl nicht nur eine politische, sondern auch wirtschaftliche Existenzfrage. Anders als vielen Ex-Politikern seines Kalibers stehen ihm keine Türen in der staatsnahen Wirtschaft offen. Auch Gazprom, das ehemalige Spitzenpolitiker gern auf die Payroll nimmt, ist keine Hoffnung für den Putin-Freund. Strache ist raus aus dem rechtspopulistischen Europa-Netzwerk, das für Moskau interessant ist. Aber es gibt noch eine politische Perspektive für ihn: Seine neue Partei eroberte am Sonntag gut zwei Dutzend Mandate auf Bezirksebene, wo die Fünf-Prozent-Hürde nicht gilt. Es wäre aber ein Abstieg ins Prekariat: Das monatliche Salär eines Bezirksrates beträgt 425 Euro plus Freifahrt für die Öffis.