Österreich / Festnahme des Skandalvideo-Produzenten beschert ÖVP willkommene Ablenkung
Die Festnahme jenes Mannes, der dem FPÖ-Chef 2017 auf Ibiza eine Videofalle gestellt und damit zwei Jahre später die türkis-blaue Koalition in Wien gesprengt hatte, könnte zur Freude der ÖVP dem Ibiza-Ausschuss eine neue Wendung verleihen.
Da die FPÖ momentan ohnehin am Boden liegt und ihr Ex-Vorsitzender Heinz-Christian Strache nach dem gescheiterten Comeback-Versuch bei der Wiener Landtagswahl endgültig ins politische Nirwana eingegangen ist, ging es im parlamentarischen Untersuchungsausschuss bisher zum Ärger der ÖVP hauptsächlich um mutmaßlich korrupte Machenschaften der Kanzlerpartei. Die ÖVP-Opferthese, wonach sie von korrupten Anwandlungen ihres Koalitionspartners nichts ahnte und unschuldig zum Handkuss kam, versuchen Oppositionsvertreter im Ausschuss mit vielen Indizien zu dekonstruieren. Der Effekt: Beim Thema Ibizagate wird nur noch am Rande über FPÖ-Malversationen gesprochen, sondern hauptsächlich spekuliert, wie viel Dreck die Truppe von Kanzler Sebastian Kurz am Stecken hat.
Mit dieser Schwerpunktsetzung könnte es nun vorerst vorbei sein, nachdem die Staatsanwaltschaft Wien am Freitag die Festnahme des Drahtziehers der Video-Falle bestätigt hat. Der aus Salzburg stammende Julian H., der in München eine Privatdetektei betrieben hatte, wurde demnach in Deutschland festgenommen. Er war nach der Veröffentlichung des Videos vor eineinhalb Jahren untergetaucht. In dem Video ist Julian H. als Begleiter jener vermeintlichen Oligarchennichte zu sehen, mit welcher der spätere Vizekanzler Strache und sein damaliger Kompagnon Johann Gudenus in einer Villa auf Ibiza wenige Monate vor der Wahl völlig ungehemmt über korrupte Deals nach einer Regierungsbeteiligung der FPÖ plauderten.
Wie kam das Video zustande?
Auf die angenommene Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung beziehungsweise der nach dem FPÖ-Absturz an der Macht verbliebenen ÖVP hatten sich SPÖ und Neos daher im Ausschuss konzentriert. Strache und der FPÖ ging es dagegen von Anfang an vor allem darum, das als kriminell empfundene Zustandekommen der Videofalle und etwaige politische Verbindungen in andere Parteien oder gar zu ausländischen Geheimdiensten zu untersuchen. Das war auch im Sinne der ÖVP, weil sie so ihre Hände besser in Unschuld waschen konnte.
Sobald Julian H. demnächst an Österreich ausgeliefert wird, steht ihm ein großer Auftritt im Untersuchungsausschuss bevor. Und damit wird die Vorgeschichte des Skandals zur Hauptgeschichte. Sowohl der unfreiwillige „Hauptdarsteller“ Strache als auch die FPÖ reagierten daher gestern hocherfreut auf die Nachricht von Julian H.s Festnahme. Der Ex-Vizekanzler hofft nun auf „die Aufdeckung der weiteren Mittäter, Auftraggeber und Hintermänner“. Bislang haben sich freilich parteipolitische oder geheimdienstliche Verschwörungstheorien als haltlos erweisen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand dürfte es von Anfang an ums Geld gegangen sein.
Versuch, SPÖ reinzuziehen
Denn ehe das Video bei der Süddeutschen Zeitung landete, versuchten die Urheber es in Österreich zu Geld zu machen. Schon im Frühjahr 2018 wurde es durch einen Wiener Anwalt dem früheren SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda für sechs Millionen Euro offeriert. Die SPÖ-Spitze zeigte zunächst Interesse, ließ aber letztlich die Finger davon. Daraus versucht die ÖVP nun den Sozialdemokraten einen Strick zu drehen. Wolfgang Gerstl, ÖVP-Fraktionsführer im Untersuchungsausschuss, will neben der Rolle der FPÖ nun vor allem „jene der SPÖ-Netzwerke rund um die Verwertung des Videos“ untersucht wissen. Etwaigen korrupten Netzwerken im türkisen Machtzentrum nachzuspüren ist naturgemäß nicht Priorität der ÖVP.
- Luxemburg-Stadt erwirbt Wohnungen für mehr als 66 Millionen Euro - 28. März 2024.
- BMS meldet in fünf Jahren zwölf Vorfälle der Polizei - 28. März 2024.
- Attal va limiter l’indemnisation du chômage - 28. März 2024.
Wieso kann Österreich Haftbefehle ausstellen für angebliche Vergehen die in Spanien stattgefunden haben?