Wahlen in NordmazedonienFavorisierter Sozialdemokrat Zaev hofft auf Bestätigung seiner Politik der Westintegration

Wahlen in Nordmazedonien / Favorisierter Sozialdemokrat Zaev hofft auf Bestätigung seiner Politik der Westintegration
Zoran Zaev, Parteichef der regierenden SDSM, erhofft sich eine Bestätigung seiner Politik der Westintegration und der Aussöhnung mit Griechenland Foto: Robert Atanasovski/AFP

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Die Sozialdemokraten ziehen heute als Favorit in Nordmazedoniens Parlamentswahl. Doch zahlreiche Unsicherheitsfaktoren erschweren die Prognosen vor der von der Corona-Epidemie überschatteten Richtungswahl: Nicht nur die Aussöhnung mit Athen, sondern auch die EU-Integration steht auf dem Spiel.

Das Coronavirus gibt in Nordmazedonien den Wahltakt vor – und dämpft das Wahlfieber. Zur Entzerrung des Andrangs werden die Wahllokale bei der heute steigenden Parlamentswahl zwei Stunden länger geöffnet sein. Aus Sicherheitsgründen konnten infizierte und isolierte Stimmbürger bereits zu Wochenbeginn zu Hause oder im Krankenhaus ihre Stimmen abgeben. Trotzdem machten mit 700 Menschen nur rund ein Zehntel der Betroffenen von ihrem Wahlrecht Gebrauch.

Doch auch bei den gesunden Bewohnern des Balkanstaats drohen weniger die vorgeschriebenen Masken- und Desinfektionspflicht beim Urnengang als die steil steigenden Infektions- und Todesraten die Wahllust gehörig zu bremsen: In einer Umfrage zweifelten gar 46 Prozent der Befragten, ob die Wahl sicher sei.

Nach Serbien und Kroatien ist der seit Jahresbeginn zur Vorbereitung der Wahl von einer Übergangsregierung geführte EU-Anwärter der dritte Balkanstaat, der seine Bürger in der Viruskrise zu den Urnen ruft. Bei den ex-jugoslawischen Bruderstaaten triumphierten bei schwacher Wahlbeteiligung die Regierungsparteien. In Nordmazedonien gehen die regierenden Sozialdemokraten (SDSM) von Ex-Premier Zoran Zaev zwar auch als Favorit ins Rennen. Doch ihres Sieges kann sich deren „Mozeme“-Bündnis keineswegs sicher sein: Zahlreiche Unsicherheitsfaktoren überschatten die Richtungswahl.

Zaev erhofft sich eine Bestätigung seiner Politik der Westintegration und der Aussöhnung mit Griechenland: Für den mittlerweile besiegelten NATO-Beitritt und die lange von Athen blockierte EU-Annäherung hatte sich Zaev mit dem damaligen griechischen Premier Alexis Tsipras beim Prespa-Abkommen 2018 auf die Umbenennung des Landesnamens in Nordmazedonien verständigt.

Die nationalpopulistische VMRO/DMPNE von Oppositionschef Hristijan Mickoski, die in den meisten der stark abweichenden Umfragen knapp hinter der SDSM rangiert, will die Änderung des Landesnamens rückgängig machen – ein Kurswechsel, der nicht nur die Beziehungen zu Athen, sondern auch den von der EU bereits beschlossenen Auftakt der Beitrittsverhandlungen mit dem Balkanstaat gefährden könnte. Die SDSM wirft der Opposition vor, das Land „zurück in die Dunkelheit“ führen zu wollen. Die VMRO kritisiert, dass Skopje gegenüber Griechenland und Bulgarien zu viele Zugeständnisse gemacht habe.

Nicht nur die offene Frage, welchen der Großparteien die zu erwartende geringe Wahlbeteiligung und die Epidemie eher schaden oder nutzen dürften, erschwert die Prognosen. Noch offen ist vor der Wahl der Kampf um die Stimmen der albanischen Minderheit – und die Partnerwahl der größten Albaner-Partei DUI. In der Vergangenheit teilte die DUI als Mehrheitsbeschaffer lange mit der VMRO und zuletzt mit der SDSM die Regierungsbank. Vollmundig macht die DUI nun die Ernennung des eigenen Spitzenkandidaten zum Premier zur Bedingung: Naser Ziberi müsse der erste albanische Regierungschef des Vielvölkerstaats werden.

Unseriöse Forderung

Realistisch ist die Forderung keineswegs. Aber die DUI hofft, mit ihrem Slogan „Warum nicht“ der Konkurrenz beim Buhlen um die albanischen Stimmen das Wasser abzugraben. Einer der Rivalen ist der bisherige Koalitionspartner SDSM, für den seit einigen Jahren vermehrt auch albanische Wähler stimmen: Die Sozialdemokraten haben nun erstmals mit der Albaner-Partei BESA ein multiethnisches Wahlbündnis geschmiedet.

Sollte es der DUI gelingen, dem Mozeme-Bündnis albanische Wähler abspenstig zu machen, könnte sie sich nicht nur erneut in die Position des Königsmachers bugsieren: Auch der bisherige Vorsprung der SDSM auf die VMRO könnte bei einem Erstarken der DUI merklich schrumpfen.

Nichts werde die DUI davon abhalten, nach der Wahl für die erneute Beteiligung an der Macht alle Bedingungen fallen zu lassen und mit dem alten Partner VMRO eine neue Koalition zu schmieden, glaubt der Analyst Fjezi Hajdari in Skopje: „Die Forderung eines albanischen Premiers ist nicht seriös.“