AbschreckungEU wehrt sich gegen wachsenden Druck in der Handelspolitik

Abschreckung / EU wehrt sich gegen wachsenden Druck in der Handelspolitik
Valdis Dombrovskis, EU-Kommissar für Handel, stellte gestern die neuen handelspolitischen Instrumente der EU vor Foto: dpa/AP/Geert Vanden Wijngaert

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Die EU gerät in der Handelspolitik immer öfter unter Druck. Die USA haben Strafzölle gegen Stahl und Aluminium verhängt, den Handel mit Iran mit Sanktionen belegt und versucht, die Ostseepipeline Nord Stream 2 zu stoppen. Auch China übt Druck aus – zuletzt auf Litauen, gegen das im Streit um Taiwan ein Importverbot verhängt wurde.

Doch damit soll nun Schluss sein. Um nicht länger den Launen fremder Mächte ausgeliefert zu sein, will sich die EU-Kommission ein „Anti-Zwangs-Instrument“ zulegen. Es soll vor allem der Abschreckung dienen. Der Entwurf, den Vizepräsident Valdis Dombrovskis am Mittwoch in Brüssel vorlegte, sieht aber auch Gegenwehr vor. So können bei Erpressungsversuchen aus Drittländern künftig neue Zölle eingeführt und Einfuhren begrenzt werden. Der Instrumentenkasten sieht auch Beschränkungen bei Dienstleistungen und Investitionen sowie einen erschwerten Zugang zum Binnenmarkt vor. Damit könne sich die EU besser zur Wehr setzen, so Dombrovskis.

„In Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen wird der Handel mehr und mehr als Waffe eingesetzt“, sagte der Kommissar. Die EU und ihre Mitgliedstaaten würden zur Zielscheibe wirtschaftlicher Einschüchterung. „Mit diesem Vorschlag senden wir die klare Botschaft, dass die EU ihre Interessen entschlossen verteidigen wird.“

In Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen wird der Handel mehr und mehr als Waffe eingesetzt

Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission

In der Praxis dürfte sich Brüssel aber vor allem gegen Pressionsversuche aus Peking oder Moskau zur Wehr setzen. Auf Nachfragen zu den umstrittenen „extraterritorialen Sanktionen“ der USA gegen Nord Stream 2 wich Dombrovskis aus. Auch den Streit um den Handel mit dem Iran will er ausklammern – das sei schließlich Außenpolitik. Konkreter wurde es bei Russland und China. Wenn Russland seine Gaslieferungen einschränken sollte, um Druck auf die EU oder ihre Mitglieder auszuüben, wäre das ein möglicher Anwendungsfall, so Dombrovskis. Auch den Streit zwischen Litauen und China werde man sich näher ansehen. Brüssel sei informiert und werde bei Bedarf handeln.

Litauen hatte im Juli der Bitte Taiwans um Eröffnung einer Vertretung in Vilnius entsprochen, die de facto als Botschaft dienen wird. Daraufhin zog China im August seinen Botschafter aus Litauen ab und wies den litauischen Botschafter aus Peking aus. Zuletzt kam noch ein chinesisches Importverbot für litauische Waren hinzu. Der Vorfall zeigt jedoch auch die Tücken der geplanten EU-Regulierung. China ist für Litauen ein unbedeutender Handelspartner – es wäre also unverhältnismäßig, auf den Importstopp mit Strafzöllen oder anderen harten Maßnahmen zu reagieren. Zudem ist Litauen in der Taiwan-Frage vorgeprescht, ohne sich mit der EU abzustimmen.

Mehr Kompetenzen für Brüsseler Behörde

In Brüssel herrscht deshalb die Sorge, dass einzelne Mitgliedsländer wie Litauen die gesamte EU in einen Konflikt mit China stürzen – und dass dies in einen Handelskrieg ausarten könnte. Dombrovskis wies diese Sorge zurück. Man werde jeden Fall sorgfältig prüfen und sich um gütliche Beilegung bemühen.

Kritiker sehen in dem Vorschlag eine Abkehr von der Welthandelsorganisation WTO, die auch für Streitbeilegung zuständig ist. Für Unruhe sorgt auch, dass die EU-Kommission allein entscheiden will, wann und wie sie zuschlägt. Schweden stellt die erweiterten Kompetenzen für die Brüssler Behörde bereits offen in Frage.

Das Europaparlament signalisiert dagegen Zustimmung. Der Chef des Handelsausschusses, Bernd Lange (S&D), begrüßte die „Lizenz zur Gegenwehr“. Chinas „erpresserischer Druck gegenüber Litauen“ zeige, wie nötig das neue Instrument sei, sagte der grüne Parlamentarier Reinhard Bütikofer. Einzelne EU-Staaten wie Ungarn dürften kein Vetorecht erhalten.