Die EU wendet sich von China abEU-Kommission vollzieht radikalen Schwenk in ihrer Wirtschaftspolitik

Die EU wendet sich von China ab / EU-Kommission vollzieht radikalen Schwenk in ihrer Wirtschaftspolitik
Chinesische Touristen am Tag der Arbeit: Die EU will China mit einer „offenen strategischen Autonomie“ begegnen  Foto: AFP/Noel Celis

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Brüssel legt das Investitionsabkommen mit Peking auf Eis und kündigt neue Barrieren gegen „ausländische Subventionen“ an. Zudem soll die Wirtschaft unabhängiger von Technologie aus dem Reich der Mitte werden.

Die EU-Kommission hat einen radikalen Schwenk in der Wirtschaftspolitik vollzogen. Die Brüsseler Behörde verabschiedet sich vom umstrittenen Investitionsabkommen mit China und errichtet gleichzeitig neue Barrieren gegen staatlich subventionierte Firmen aus Fernost. Zudem kündigte die EU-Behörde eine neue Industriestrategie an, mit der die Abhängigkeit von China verringert werden soll.

Eingeleitet wurde der Kurswechsel von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Überraschend kündigte er an, dass das Ende 2020 unter deutschem EU-Vorsitz ausgehandelte Investitionsabkommen mit China auf Eis gelegt werde. „Wir haben unsere Vermittlungsbemühungen ausgesetzt“, erklärte der mächtige Lette, der auch Vizepräsident der Brüsseler Behörde ist. Wegen des Streits um Sanktionen gebe es aktuell keine Aussicht auf Ratifizierung.

Hintergrund sind die Strafmaßnahmen, die die EU im März gegen China verhängt hatte. Sie wurden allerdings nicht mit der chinesischen Wirtschaftspolitik, sondern mit der Repression gegen die Uiguren begründet. Als Reaktion auf die EU-Sanktionen verhängte Peking seinerseits Strafen gegen EU-Politiker, darunter der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer und sein CDU-Kollege Michael Gahler. Seither schaltet das Parlament auf stur.

Die Beratungen über das Abkommen wurden ausgesetzt, die Abgeordneten forderten ein härteres Vorgehen gegen China. Nun hat Dombrovskis die Notbremse gezogen. Das Abkommen, das als letzter großer „Deal“ unter dem Ratsvorsitz von Kanzlerin Angela Merkel galt, wurde auf Eis gelegt. Es verfolgte das Ziel, deutsche und europäische Investitionen besser abzusichern und Peking auf internationale Standards zu verpflichten.

Damit ist es nun vorbei. Der Wind hat sich gedreht – gegen China und gegen das deutsche Abkommen. Der Deal liege „im Kühlschrank“ und werde dort noch jahrelang bleiben, sagte der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD). Die EU-China-Politik stehe „vor einer Neubestimmung“, freute sich der Grüne Bütikofer. 

Protektionismus meinen, ihn aber anders nennen

Die EU-Kommission will es aber nicht bei einem „No Deal“ belassen. Sie legte zwei Entwürfe vor, mit denen sie die Wirtschaft gegen chinesische Wettbewerber abschotten will. So offen wurde dies allerdings nicht gesagt. Um dem Vorwurf des Protektionismus zu entgehen, spricht man in Brüssel lieber vornehm von „ausländischen Subventionen“ und einer „offenen strategischen Autonomie“.

Der Gesetzentwurf gegen „ausländische Subventionen“ soll sicherstellen, dass staatlich gestützte Firmen aus China bei öffentlichen Aufträgen und Übernahmen in Europa nicht bevorzugt werden. Ab bestimmten Schwellenwerten soll es künftig eine Auskunftspflicht geben. Brüssel würde dann prüfen, ob die Subventionen den Wettbewerb verzerren. Bei ernsten Problemen könnte die EU die Vorhaben untersagen.

Gegen Peking richtet sich auch die neue Politik der „offenen strategischen Autonomie“. Hier geht es darum, in strategisch wichtigen Bereichen mehr in Europa zu produzieren. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass die Wirtschaft autonomer werden müsse, heißt es zur Begründung in Brüssel.

„Die größte Herausforderung liegt im Verhindern strategischer Abhängigkeiten von morgen“, sagte Dombrovskis. Dies gelte etwa für Chips, Batterien oder Wasserstoff. Bei all diesen Technologien ist China weit vorn. Brüssel will nun mit gezielten Förderprogrammen gegensteuern.

Dass die EU dabei selbst zu Subventionen greift, gilt in Brüssel als unproblematisch. Sowohl das Europaparlament als auch die Wirtschaft signalisierten Unterstützung für die neue Strategie, mit der sich die EU von der bisher gültigen Doktrin der offenen Märkte verabschiedet.