ÖsterreichErst nach Wiener Anschlag schließt Regierung Salafisten-Moscheen

Österreich / Erst nach Wiener Anschlag schließt Regierung Salafisten-Moscheen
Die gestern geschlossene Tewhid-Moschee in Wien-Meidling Foto: AFP/APA/Georg Hochuth

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Es mussten erst vier Menschen sterben, ehe in Österreichs Salafistenszene durchgegriffen wird: Vier Tage nach dem Wiener Anschlag wurden gestern in Wien zwei als Dschihadisten-Brutstätten bekannte Moscheen geschlossen.

Es wirkte wie ein Entlastungsangriff zugunsten des massiv unter Druck geratenen Innenministers Karl Nehammer (ÖVP): Gemeinsam mit ihrem Parteifreund trat Integrationsministerin Susanne Raab am Freitag vor die Presse, um die Schließung zweier Wiener Moscheen zu verkünden, in denen der Montagabend erschossene Terrorist Kujtim Fejzulai verkehrte. Ausdrücklich dankte sie Nehammer für den hochprofessionellen Einsatz der Polizei am Abend des Anschlags sowie für die Zusammenarbeit seither.

Der Innenminister sah sich, wie berichtet, am Donnerstag mit einem von SPÖ und FPÖ eingebrachten Misstrauensantrag konfrontiert, weil der ihm unterstehende Verfassungsschutz sein Wissen über den versuchten Munitionskauf des späteren Attentäters im Juli in der Slowakei nicht an die Justiz gemeldet hatte. Gestern wurde die nächste Panne bekannt: Fejzulai hatte im Sommer Kontakt zu Personen, die das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) für den deutschen Verfassungsschutz observierte. Auch in diesem Fall behielten die Verfassungsschützer ihre Informationen über den im Dezember nur auf Bewährung aus der Haft entlassenen IS-Sympathisanten für sich, was den Wiener LVT-Chef Erich Zwettler nun den Job kostete.

Bekannte Salafisten-Höhlen

Aber auch nach den Moscheeschließungen stellt sich die Frage: Warum erst jetzt? Hier gibt das seit 20 Jahren fast durchgängig von der ÖVP geführte Innenministerium ebenfalls kein gutes Bild ab. Die zuständige, aber auf die Expertise der Sicherheitsbehörde angewiesene Integrationsministerin begründete das Aus für die Melit-Ibrahim-Moschee in Wien-Ottakring und die Tewhid-Moschee in Wien-Meidling mit dem Fehlen der im Islamgesetz geforderten „positiven Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat“.

Doch dieser Mangel war seit Jahren aktenkundig. Die Tewhid-Moschee war schon 2012 Gegenstand einer Parlamentarischen Anfrage an die damalige Innenministerin und heutige niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Anlass dafür: Ein nach einem versuchten Anschlag auf die Wiener US-Botschaft festgenommener Bosnier hatte in seinem Rucksack neben Handgranaten und Nägeln auch ein vom Tewhid-Moscheeverein herausgegebenes Gebetsbuch, das Sprüche wie diesen enthielt: „Der Grundpfeiler des Islam ist der reine und aufrichtige Glaube, der sich erst im Märtyrertod vollendet.“ In dieser Moschee war auch der später in Syrien als Dschihadist umgekommene Mohamed Mahmoud Stammgast. Und auch der 2018 zu 20 Jahren Haft verurteilte Hassprediger Ebu Tejma war in Meidling sozialisiert worden. Besonders pikant: Diese Moschee war bis gestern Teil der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), die offenbar dem salafistischen Treiben ebenfalls tatenlos zugesehen hatte.

Beim Ottakringer Gebetshaus handelt es sich um eine sogenannte „Hinterhofmoschee“ außerhalb des IGGÖ-Imperiums. Auch sie ist seit Jahren als Salafisten-Rekrutierungsszentrum bekannt. Hier war Lorenz K. aktiv, der seit 2018 eine neunjährige Haftstrafe verbüßt, weil er einen Zwölfjährigen in Ludwigshafen zu einem Selbstmordanschlag auf einen Weihnachtsmarkt anzustiften versucht hatte.

Nach dem jüngsten Anschlag erhöht die türkis-grüne Bundesregierung den Druck auf die österreichische Islamistenszene an allen Fronten. Seit Montagabend wurden insgesamt 16 Verdächtige festgenommen, über die Hälfte von ihnen wurde gestern Untersuchungshaft verhängt. Sie weisen bereits ein einschlägiges Sündenregister auf. Vier rückten wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, zwei wegen unterschiedlicher Gewaltdelikte und zwei weitere wegen versuchten Ehrenmordes ins Visier der Behörden.