Ein 35-Jähriger stellt Wilders in den Schatten

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Der politische Senkrechtstarter Thierry Baudet hat den Rechtspopulisten Geert Wilders überholt. Die etablierten Parteienbetrachten ihn als größere Gefahr.

Er bezeichnet sich als Nationalist und will die Niederlande aus der EU führen: Der politische Senkrechtstarter Thierry Baudet hat den bekannten Rechtspopulisten Geert Wilders überholt. Die etablierten Parteien sind besorgt und betrachten Baudet als größere Gefahr als Wilders.

Von unserem Korrespondenten Fabian Busch

Mit Ende 50 hat Alice Schippers etwas Neues in ihrem Leben gewagt: Sie ist einer Partei beigetreten. In einer Konzerthalle in Rotterdam wartet sie auf den Auftritt des Vorsitzenden – auf den Mann, der den Niederlanden gerade Gesprächsstoff gibt wie kein anderer. Irgendwann, so hofft Alice Schippers, werde die Partei die Wahlen gewinnen. „Und dann wird Thierry Ministerpräsident.“ Thierry Baudet ist ein politischer Senkrechtstarter, er hat den weltweit bekannten Rechtspopulisten Geert Wilders in den Niederlanden in kurzer Zeit in den Schatten gestellt.

Baudet will raus aus der EU

In Umfragen hat Baudets Partei „Forum für Demokratie“ die Wilders-Partei bereits überholt. Die nächsten Parlamentswahlen finden zwar turnusgemäß erst in vier Jahren statt. Doch der selbstbewusste 35-Jährige hat schon große Pläne. In einem Interview mit dem NRC Handelsblad sagte er: „Ich denke, dass ich Ministerpräsident werden muss.“

Den Rest Europas würde das vor Probleme stellen. Baudet will, dass seine Landsleute über den „Nexit“ abstimmen, also über einen Austritt aus der Europäischen Union. „Es ist Zeit, mit der Währungsunion und den offenen Grenzen aufzuhören, und die EU zu verlassen“, heißt es im Parteiprogramm. „Die EU ist zu groß geworden, sie besteht aus zu vielen Ländern“, meint auch Schippers. „Da prallen Kulturen aufeinander.“

Piano im Abgeordnetenbüro

Baudet bezeichnet sich selbst als „Nationalist“. Er will, dass nur noch Menschen in die Niederlande ziehen dürfen, die sich das Land selbst ausgesucht hat. In einem seiner Bücher behauptet er, Einwanderung und moderne Kunst würden die nationale Identität „verdünnen“. Das kommt zumindest bei einem Teil der Wähler an. Während Wilders als einziges Mitglied seiner Partei eine „One-Man-Show“ betreibt, will Baudet sein „Forum“ als breite Bürgerbewegung verstanden wissen – auch wenn er selbst fest im Mittelpunkt steht. Er versucht, sich gleichzeitig als Anwalt der „kleinen Leute“ und als feingeistiger Intellektueller darzustellen. Als er vor einem Jahr ins niederländische Parlament einzog, ließ er medienwirksam seinen Flügel ins Abgeordnetenbüro verfrachten. Für Zeitungsfotos posierte er später liegend auf dem Instrument. Mit ausländischen Medien spricht Baudet selten, im eigenen Land aber gilt er als offen und zugänglich – ganz anders als Wilders.

Stellvertretende Ministerpräsidentin warnt

Am 21. März stehen Kommunalwahlen an. Baudets Partei tritt in Rotterdam zwar nicht an, er unterstützt aber die lokale Partei Leefbaar Rotterdam, deren Mitglieder sich als Erben des 2002 ermordeten Rechtspopulisten Pim Fortuyn verstehen. „Es ist Zeit, die korrupte und oligarchische Kultur in Den Haag zu durchbrechen“, ruft Baudet – die etablierten Parteien sind neben der EU sein größtes Feindbild. Ansonsten gibt er sich aber betont offen. „Jeder kann mitmachen, das gesellschaftliche Haus zu bauen und zu erhalten“, verspricht er.

Diese Ansage passt nicht in das Bild, das die Partei häufig in der Öffentlichkeit abgibt. Wie die Journalismusplattform De Correspondent herausfand, traf sich Baudet im vergangenen Herbst mit einem Vertreter der rassistischen amerikanischen Alt-Right-Bewegung. Sein Fraktionskollege machte Aufsehen, als er behauptete, verschiedene Völker hätten unterschiedlich hohe Intelligenzquotienten. Das Forum für Demokratie sei eine „größere Gefahr für die niederländischen Grundwerte“ als die Partei von Wilders, hat die stellvertretende Ministerpräsidentin Kajsa Ollongren gesagt. Geschadet hat das Baudet nicht. Seine Partei liegt in einer Umfrage von Mitte März zwar bei nur knapp über 10 Prozent – im zersplitterten Parteiensystem würde das aber bereits für den zweiten Platz reichen, wenn jetzt gewählt würde.