Deutschland / Die Kundgebungen der Parteien am diesjährigen Aschermittwoch waren virtuell und absolut nicht lustig
Ein politischer Aschermittwoch in Corona-Zeiten, also ohne dampfende Halle, Bierkrüge, Johlen und Schenkelklopfen? Es gab zwei Möglichkeiten, sich dieser Herausforderung zu nähern: Die CSU, Erfinderin der Veranstaltung, die zum 102. Mal stattfand, versuchte es mit einer fast perfekten digitalen Imitation – und scheiterte dennoch. Die anderen Parteien ließen den Versuch einer Nachahmung gleich bleiben. Es wurde der seltsamste Aschermittwoch aller Zeiten. Und der ernsteste.
Die CSU ließ nichts aus, um halbwegs echte Bierzeltatmosphäre herzustellen. Viele Mitglieder hatten Care-Pakete der Zentrale zugeschickt bekommen mit wichtigen Utensilien wie Fähnchen, Ratsche, Seidel und Weißbier. So saßen sie Zuhause erwartungsfroh vor ihren Laptops, die Frauen oft im Dirndl, Männer im Jancker, und wurden auf einen großen Splitscreen in die Passauer Dreiländerhalle geschaltet, wo die Veranstaltung wie immer stattfand. „Aschermittwoch dahoam“. Nach den jeweiligen Ansprachen wurde das Klatschen der Teilnehmer eingeblendet, jetzt kamen auch die Ratschen zum Einsatz. Sonst herrschte auf den virtuellen Zuschauerrängen naturgemäß gespenstische Stille.
Wirklich lustig war die Dekoration. Parteichef Markus Söder saß bei seinem Vortrag an einem rustikalen Holztisch in einem nachgebauten bayerischen Wohnzimmer, neben sich den landestypischen Kachelofen mit Franz-Josef-Strauß-Büste oben drauf. Das war unverkennbar eine Anspielung auf die Grünen, deren beide Vorsitzende Robert Habeck und Annalena Baerbock ihren letzten virtuellen Parteitag ebenfalls aus einem Wohnzimmer heraus bestritten hatten, allerdings im schicken 60er-Jahre-Retro-Look.
Die Gute-Laune-Stimmung, die die CSU zu erzeugen versuchte, blieb jedoch im virtuellen Nirwana hängen. Das merkte man, als Markus Söder wie immer unter den Klängen des bayerischen Defiliermarsches in die Halle einzog. Sonst dauert das gut und gerne 20 Minuten, jeder will dann die Hand schütteln, es kommt Stimmung auf und wird geschunkelt. Diesmal wirkte der CSU-Mann reichlich verloren zwischen den Papp-Kameraden, die als Publikum aufgestellt waren und vor denen er sich sogar einmal kurz verbeugte. Deplatziert wirkte auch, dass die Regie während Söders Rede virtuell den Delegierten Andreas Spreng durchs Bild laufen ließ, der sein Schild „Markus wir brauchen dich“ hochhielt. Das war in den letzten Jahren eine Art Running Gag der Aschermittwochskundgebungen gewesen, doch heuer waren Gags eher nicht angesagt. Denn Söder hielt eine sehr ernste, phasenweise beeindruckende Ansprache über Corona. Über den Ernst der Krise, über die Notwendigkeit der Maßnahmen, über die schweren Folgen. Der CSU-Chef zitierte sogar die Verantwortungsethik von Max Weber. Sehr untypisch für diese Veranstaltung.
Seltsam und traurig
Klamauk kam nur in einer kurzen Sequenz am Ende vor, als sich Söder dann doch noch mit den politischen Mitbewerbern auseinandersetzte. Vor allem mit der SPD, die er mit Schalke 04 verglich: „Großer Name, große Geschichte, aber echt schlechtes Spiel.“ Keine Lacher, Schenkelklopfen funktioniert digital halt nicht. Aber was sollte schon sein, im Seidel vor dem Redner war ja auch kein Bier, sondern, wie Söder bei einer kurzen Trinkpause einräumte, Cola light.
Die Grünen hatten da lieber gleich auf einen ähnlichen Versuch verzichtet, sie sendeten aus dem Haus der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. „Aus unserem Ein-Familien-Haus“, wie Robert Habeck in selbstironischer Anspielung auf die umstrittene Haltung der Grünen zum trauten Heim bemerkte. Seine Co-Vorsitzende, Annalena Baerbock, hielt eine typische Partei-Vorsitzenden-Rede, die mit den Hanauer Morden begann, die Herausforderungen des Klimaschutzes betonte, und auf die anstehenden Wahlkämpfe einschwor. Ganz ähnlich machte es Olaf Scholz, der für seinen Auftritt extra in den Wolferstetter Keller nach Vilshofen gefahren war, traditionelle Heimstatt der Aschermittwochskundgebungen der bayerischen SPD. Dort fand der sozialdemokratische Kanzlerkandidat allerdings außer der Landeschefin Natascha Kohnen und dem örtlichen Bürgermeister Florian Gams niemanden vor. Immerhin, man hatte aus Holzpaletten und einem Bierfass so etwas wie eine bayerisch-rustikale Umgebung gebaut, in der ein wenig getalkt wurde. Auch Scholz’ Rede dürfte eine kleine Generalprobe für den kommenden Wahlkampf gewesen sein: Vier „Zukunftsmissionen“ präsentierte der Sozialdemokrat, von E-Mobilität bis Bildung. Scholz: „Wir haben den Plan.“ Vor sich hatte auch er bei seiner Rede kein Bier, sondern ein Glas mit Wasser. Was für ein seltsamer, trauriger Aschermittwoch.
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