BrüsselDie EU sammelt Milliarden für Syrien – doch den Wiederaufbau will sie nicht finanzieren

Brüssel / Die EU sammelt Milliarden für Syrien – doch den Wiederaufbau will sie nicht finanzieren
In Idlib fallen weiter Bomben: Den Wiederaufbau Syriens will die EU nicht finanzieren Foto: AFP/Abdulaziz Ketaz

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Die EU sammelt Milliarden für die Syrien-Hilfe – doch den Wiederaufbau des Landes will sie nicht finanzieren. Dabei fordern dies immer mehr Hilfsorganisation.

Neue Milliardenhilfen für Syrien – aber keine neue Strategie: Die fünfte Geberkonferenz für das Bürgerkriegsland, die die Europäische Union gemeinsam mit der UNO ausgerichtet hat, endete wie ihre Vorläufer seit 2017 mit frischen Hilfszusagen, aber ohne politische Perspektive.

Frankreich versprach 560 Millionen Euro, Deutschland sagte weitere 1,74 Milliarden Euro für syrische Flüchtlinge zu. Die EU will ebenfalls 560 Millionen lockermachen – 2021 und auch 2022. Die Vereinigten Staaten wollen 596 Millionen US-Dollar geben (rund 506 Millionen Euro), Luxemburg 13 Millionen Euro.

Laut UNO werden insgesamt 8,5 Milliarden Euro (10 Milliarden Dollar) gebraucht. Ob dieses Ziel erreicht wird, war zunächst unklar. Im vergangenen Jahr hatte die Geberkonferenz neue Hilfszusagen von 6,9 Milliarden Euro erbracht – und damit deutlich weniger als erhofft. Einige Hilfsangebote könnten aber noch später eintreffen, hieß es am Dienstag in Brüssel.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind seit Beginn des Syrienkriegs vor zehn Jahren im internationalen Vergleich die größten Geber von Finanzhilfen. Insgesamt sind nach Angaben der EU-Kommission in Brüssel schon mehr als 20 Milliarden Euro mobilisiert worden. Mit dem Geld wollen die Europäer die Region stabilisieren – aber auch neue Flüchtlingswellen wie 2015 verhindern. Damals waren rund eine Million Flüchtlinge über die Türkei nach Deutschland gelangt.

Trotz der gewaltigen Anstrengungen spielt die EU politisch kaum eine Rolle in Syrien und in der Region. Dies spiegeln auch die Grußworte wider, die Außenminister Heiko Maas und sein französischer Amtskollege Jean-Yves Le Drian gaben. „Ohne Gerechtigkeit kann es keinen Frieden geben“, sagte Le Drian. Wie ein gerechter Frieden erreicht werden könnte, ließ er offen.

„Die syrische Tragödie darf nicht noch ein weiteres Jahrzehnt fortdauern“, betonte Maas. Auch der größte Hilfskonvoi ersetze keinen nachhaltigen Frieden. Syriens Machthaber Baschar al-Assad und seine internationalen Unterstützer – gemeint ist offenbar vor allem Russland – müssten „endlich begreifen“, dass „Scheinwahlen (…) kein Ersatz für einen echten politischen Prozess“ seien.

Bei allem Engagement: Europa bleibt Zaungast

Doch der politische Prozess, den die EU seit Jahren fordert, kommt nicht in Gang. Russland und die Türkei, aber auch Israel und die USA ziehen die Fäden in der Region, die Europäer sind bei allem Engagement nur Zaungäste. Selbst die EU-Sanktionen, die u.a. die Ölindustrie und den Finanzsektor treffen, haben die erhoffte Wirkung verfehlt – al-Assad ist immer noch an der Macht.

Gleichzeitig nehmen Armut und Verzweiflung in Syrien zu. Hilfsorganisationen fordern daher ein Umdenken. Die humanitäre Lage in dem Bürgerkriegsland sei eine Katastrophe, sagte Caritas-Präsident Peter Neher zum Start der Konferenz. „Wir müssen gezielte Wiederaufbaumaßnahmen zulassen, auch in Gebieten unter Kontrolle des Regimes“, fordert der Caritas-Präsident.

Ähnlich äußerte sich der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Peter Maurer. Insgesamt lebten heute fast 90 Prozent der syrischen Bevölkerung in Armut, sagte Maurer. „Das Paradoxe ist, dass der Krieg irgendwie zu Ende geht, aber die Lage schlechter wird“, fügte er hinzu. Deshalb sollte nicht nur humanitäre Hilfe geleistet, sondern auch der Wiederaufbau finanziert werden.

Die EU lehnt dies bislang allerdings ab, weil sie die Herrschaft von Assad nicht unterstützen will. Auch an den Sanktionen werde nicht gerüttelt, betonte Le Drian. Dies könne erst geschehen, wenn die Verantwortlichen für Krieg und Vertreibung zur Rechenschaft gezogen würden. Doch das ist nicht absehbar: Assad sitzt fester im Sattel denn je.