SommerprognosenDie EU rutscht noch tiefer in die Rezession

Sommerprognosen / Die EU rutscht noch tiefer in die Rezession
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni warnte gestern vor allzu viel Optimismus  Foto: AFP/Pool/Yves Herman

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Die durch die Corona-Pandemie bedingte Wirtschaftskrise hat sich im Laufe der vergangenen Monate weiter verschärft. Auch wenn in allen EU-Staaten die wirtschaftlichen Aktivitäten wieder hochgefahren werden, bleibt ein hohes Maß an Unsicherheit, hieß es gestern bei der EU-Kommission in Brüssel, wo die Sommerprognosen vorgestellt wurden.

„Die Pandemie hat die Wirtschaft härter getroffen als ursprünglich erwartet“, sagte der EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni gleich zu Beginn seiner Präsentation. Innerhalb von zwei Monaten haben sich wesentliche Wirtschaftsdaten weiter verschlechtert. Während die Kommission in ihren Frühlingsprognosen Anfang Mai für die Eurozone noch von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr von -7,7 Prozent ausging, liege dieser jetzt bei -8,7 Prozent. Für die EU insgesamt lag dieser Wert im Mai bei -7,4 Prozent und jetzt bei -8,3 Prozent.

Am härtesten betroffen sind Frankreich, Italien und Spanien, die mit zweistelligen Verlusten in diesem Jahr rechnen müssen: -10,9 Prozent für Spanien, -10,6 Prozent für Frankreich und -11,2 Prozent für Italien. Es sind daher vor allem diese drei Länder, die kommende Woche beim EU-Gipfeltreffen in Brüssel Druck machen werden, um den 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds möglichst schnell einsatzbereit zu haben. Denn die Aussichten auf das kommende Jahr haben sich in den vergangenen zwei Monaten ebenfalls weiter eingetrübt. Zwar wird 2021 mit einem starken Wachstum gerechnet, doch fallen die entsprechenden Prognosen sowohl für die Eurozone (6,1 Prozent) als auch für die EU-Staaten (5,8 Prozent) insgesamt weniger gut aus als im Mai (Euro: 6,3 Prozent; EU-27: 6,1 Prozent) vorhergesagt. Allerdings gilt der Negativtrend nicht für alle Länder, manche werden mit einem stärkeren Wachstum rechnen können als vorletzten Monat prognostiziert.

Doch seien diese Voraussagen mit einer großen Unsicherheit behaftet, so Paolo Gentiloni, der vor allzu viel Optimismus warnte. Jeder anhaltende Anstieg der Infektionszahlen oder größere Infektionsausbrüche könnten den wirtschaftlichen Ausblick wieder eintrüben. Vieles hänge auch von der epidemiologischen Entwicklung ab und wie schnell ein Impfstoff gegen Covid-19 zur Verfügung stehen wird.

Zudem weist die EU-Kommission darauf hin, dass den Zahlen eine Einigung zwischen der EU und Großbritannien über deren künftigen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zugrunde liegt. Wird es allerdings zu keinem Abkommen bis Ende des Jahres kommen, was angesichts der mangelnden Fortschritte bei den Verhandlungen immer wahrscheinlicher wird, werde dies weitere negative Auswirkungen auf die gestern vorgestellten Zahlen haben. Wobei die Kommission allerdings betont, dass Großbritannien schwerer von einem No-Deal getroffen werde als die EU-Staaten.

Prekäre Lage auf den Arbeitsmärkten

Wenn auch bestimmte Maßnahmen, die in den EU-Staaten getroffen wurden, unter anderem die Beschäftigten in der EU vor negativen Auswirkungen der Krise bewahrt haben, so könnte sich dies dennoch in den kommenden Monaten ändern. Paolo Gentiloni warnte etwa davor, dass sich die Lage auf den Arbeitsmärkten weiter verschlechtern könnte. Sollte es nicht zu einem schnellen Anstieg bei der Nachfrage kommen, könnten Unternehmen jene Beschäftigte, die sich derzeit in Kurzarbeit befinden, entlassen. Auch wenn einige EU-Staaten wie Luxemburg Programme aufgelegt haben, um ihre Unternehmen finanziell zu stützen, könnte dennoch deren Zahlungsfähigkeit durch Liquiditätsengpässe gefährdet werden. Auch das könnte sich negativ auf die Beschäftigung, jedoch auch auf die Finanzmärkte auswirken.

Angesichts der unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten, die den EU-Staaten bei der Bekämpfung der Krise zur Verfügung stehen, dürfte es zu weiteren wirtschaftlichen und sozialen Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten kommen. „Deshalb ist es so wichtig, eine rasche Einigung über den Wiederaufbauplan und den neuen mehrjährigen Finanzrahmen zu erzielen“, sagte Paolo Gentiloni. Es müssen wieder „neues Vertrauen und neue Gelder in unsere Volkswirtschaften“ fließen, so der Italiener.