MeinungDie deutschen Grünen legen ihr neues Grundsatzprogramm vor

Meinung / Die deutschen Grünen legen ihr neues Grundsatzprogramm vor
Es ist ungewiss, ob die deutschen Grünen Annalena Baerbock, Robert Habeck oder einen anderen als Kanzlerkandidaten aufstellen Foto: dpa/Kay Nietfeld

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Die Union plant, nach dem CDU-Parteitag im Dezember ihren Kanzlerkandidaten Anfang Januar vorzustellen. Bei der SPD will man offenbar schneller sein – bereits nach der Sommerpause könnte Finanzminister Olaf Scholz auf den Kandidatenthron gehievt werden. Wenn Kevin Kühnert mitspielt. Und die Grünen? Die Diven zieren sich noch.

Mit dem Entwurf des neuen Grundsatzprogramms versucht die Partei, auf ihre Inhalte zu lenken. Liest man genauer, dann ist unverkennbar: Die Grünen erheben für die Zeit nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr einen Regierungsanspruch ohne Wenn und Aber. Sie wollen gestalten, verändern, bewahren. Und das nicht mehr nur in ihren bisherigen Öko-Disziplinen. Die Partei erfindet sich gerade anders, um nach der Wahl koalitionsfähig in fast alle Richtungen zu sein. Ob das gutgeht, wird sich zeigen.

Was früher inhaltlich noch zum Aufstand des einen oder anderen Flügels geführt hätte, ist heute innerparteilicher Konsens. Die Zeiten, in denen sich Realos und Fundis bekämpft haben, scheinen vorbei. Der Erfolg in der bürgerlichen Mitte, vor allem in den städtischen Milieus mit ihrem neuen Bewusstsein für Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit, hat die Grünen in der Folge sehr geschmeidig werden lassen. Manchmal sehnt man sich fast schon zurück nach der inneren Polarisierung und den krawalligen Parteitagen. Jetzt sind die Grünen „Flexitarier“, flexibel in allen Belangen. Wie viele Menschen auch. Vermutlich muss das so sein, wenn man wie Annalena Baerbock und Robert Habeck kundtut, man verbinde mit dem Programm das Ziel, die breite Gesellschaft zu erreichen. Das klingt eindeutig nach Volkspartei.

Noch kein Kanzlerkandidat

Hauptgegner ist deshalb inzwischen die Union. Bis vor kurzem lag man in den Umfragen noch sensationell gleichauf mit den C-Parteien. Das hat die Grünen selbstbewusster werden lassen. Doch dann kam Corona. Das Virus hat sozusagen den Höhenflug der Partei abrupt beendet. Freilich hat sie danach ihr Heil nicht in Aufmüpfigkeit und Abgrenzung gesucht, sondern sich als verantwortungsvolle Opposition präsentiert, die den Anti-Corona-Kurs der Regierung weitgehend unterstützt hat. Noch ein Beleg für die neue Geschmeidigkeit, für den Regierungswillen und ein klares Signal, dass Grün und staatspolitische Verantwortung funktioniert.

Will man aber für alle wählbar sein, muss man auch alsbald erklären, mit welchem Personal an der Spitze man diesen Anspruch untermauern möchte. Ob die Grünen tatsächlich einen Kanzlerkandidaten nominieren werden, und wenn ja, ob es Baerbock oder Habeck werden wird, daraus macht die Partei noch ein großes Geheimnis. Dass sich die Frage überhaupt stellt, ist ein kleines politisches Wunder. Davon abgesehen, wichtig ist die Beantwortung nicht wegen einer möglichen Kooperation mit der Union, da scheinen die Rollen Koch und Kellner im Moment wieder klar verteilt. Sondern vor allem mit Blick auf eine linke Mehrheit in Deutschland. Legen also die anderen in der Kandidatenfrage vor, wird sich die Partei nicht mehr länger zieren können. Dann muss auch die grüne Diva nachziehen.