Carsten Linnemann, Chef der Programm- und Grundsatzkommission der CDU, nimmt es locker. „Ich möchte einen offenen Prozess. Ideen aus Fachkommissionen sind keine Beschlüsse“, so Linnemann zum Tageblatt. „Es gibt keine Denkverbote.“ Nicht jeder in der Union sieht das freilich so gelassen wie Linnemann. Schon gar nicht, wenn der vermeintlich gute Ruf der Partei auf dem Spiel steht, weil wie jetzt ein an die Öffentlichkeit lancierter „Arbeitsentwurf“ die CDU ein stückweit zur Steuerhöhungspartei macht. Die Union hat damit ein Habeck-Problem – und das könnte für die Partei nun noch geballter auftreten.
Robert Habeck beklagte sich kürzlich bitterlich im Fernsehen, dass seine Pläne zum Heizungsaustausch in einem frühen Stadium aus der Ampel-Koalition durchgestochen worden seien. Danach flogen dem Wirtschaftsminister die Wärmepumpen und Ölheizungen nur so um die Ohren. Nun ist Habeck Regierung, die CDU Opposition. Die Folgeprobleme von Durchstechereien, die zum politischen Geschäft gehören, sind damit für den Grünen weitaus größer. Aber auf der Suche nach neuen Grundsätzen und neuem Profil beginnt für die Union jetzt eine sehr heikle Phase.
Denn immer mehr Arbeitspapiere der insgesamt zehn verbliebenen Fachkommissionen mit ihren Unterarbeitsgruppen sind fertig, alles in allem haben rund 300 CDU’ler daran gearbeitet. Und oben drüber schwebt auch noch die Programm- und Grundsatzkommission, geleitet von Linnemann, die die Inhalte sichtet und sich im Mai in Klausur begeben wird. Erst vor der Europawahl im nächsten Jahr soll dann das neue Parteiprogramm endgültig fertig sein.
Steuererhöhungen für Spitzenverdiener
Wer für sich also eine Schlagzeile will, der sticht durch; wer inhaltlich einen Punkt setzen oder aber einen verhindern möchte, ebenso. Testballone werden steigen gelassen, wie man in der Politik sagt. Für die CDU bedeutet das freilich, dass sie unliebsame Debatten über Ideen und Vorschläge aushalten und führen muss, die die Parteispitze vielleicht nicht führen will. Stichwort Steuerpolitik.
18 Seiten umfasst das Arbeitspapier der Fachkommission „Wohlstand und Soziale Markwirtschaft“ unter der Leitung von Jens Spahn. Es erblickte jetzt früh das Licht der Öffentlichkeit – und darin findet sich neben einigen steuerlichen Entlastungen ein Satz, der eine Steuererhöhung vorsieht. Und zwar für Spitzenverdiener. Dadurch wolle man zugleich die „hart arbeitende Mitte“ entlasten, so die Verfasser. Auf der anderen Seite soll der Solidaritätszuschlag, den nur noch Besserverdiener zahlen, komplett entfallen. Aber: Die Union wolle Steuererhöhungen, hieß es vielfach.
Erbschaftssteuer reformieren
In dem Papier findet sich überdies noch etwas, was wohl deutlich revolutionärer ist – und zwar ein grundlegende Reform der Erbschaftssteuer. Üppige Ausnahmen für Unternehmensnachfolger sollen wegfallen und alle Erbschaften mit einem Einheitssatz von zehn Prozent belegt werden. Unter dem Strich könnte dies gewinnbringender für den Fiskus sein. Die Familienunternehmer gehen bereits auf die Barrikaden. Aus der Union heißt es, die Stoßrichtung des Papiers sei zwar mit Parteichef Friedrich Merz abgestimmt. Aber es gebe durchaus „großen Unmut“, dass der Entwurf frühzeitig veröffentlicht worden sei. Es gebe noch keine Beschlüsse, „keinesfalls eine Mehrheit für Steuererhöhungen“. Die Diskussion dürfe auch nicht angeheizt werden.
Linnemann bleibt freilich gelassen. „Alle Ideen müssen auf den Tisch, damit wir Deutschland wieder nach vorne bringen“, sagt er. Parteivize Andreas Jung betont: „Die CDU ist nicht Steuererhöhungspartei, sondern Partei der Steuergerechtigkeit.“ Derzeit werde über Wasserstände der einzelnen Fachkommissionen diskutiert, „das sind bislang alles nur Vorschläge“, so Jung gegenüber dem Tageblatt. Allerdings sei der Prozess zum neuen Grundsatz-Programm auch so angelegt. „Wir wollen lebendige Debatten und bevor nächstes Jahr auf dem Parteitag entschieden wird, gibt es eine breite Beteiligung der Mitglieder.“ Risiken inklusive.
De Maart
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