Die Blutspur zeigt zur Mafia

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Profikiller sollen 27-jährigen Investigativjournalisten ermordet haben.

Von unserem Korrespondenten Jindra Kolar, Prag

Experten gehen beim Mord an dem 27-jährigen slowakischen Journalisten Jan Kuciak und seiner Lebensgefährtin Martina K. von Profikillern aus. Daher wird über eine Beteiligung des organisierten Verbrechens spekuliert.

Der Mord an dem slowakischen Investigationsjournalisten Jan Kuciak und an seiner Lebensgefährtin Martina K. erschüttert die slowakische Öffentlichkeit. Noch nie hatte es einen gewaltsamen Akt gegen einen Pressevertreter gegeben, der Missstände des Landes aufzeigte. Und schon gar nicht in dieser brutalen Form.

„Verbrechen ohne Präzedenzfall“

Polizeipräsident Tibor Gašpar erklärte, es sei ein „Verbrechen ohne jeden Präzedenzfall“. Er gehe davon aus, dass die Tat in Gallandau (Galanta) in engem Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit des Opfers steht. Kuciak hatte für die Nachrichtenplattform Aktuality.sk vor allem über Missstände und Korruption in der slowakischen Politik und Wirtschaft berichtet.

Insbesondere schrieb er in jüngster Zeit über obskure Verbindungen zwischen dem Unternehmer Marián Kocner aus Bratislava und Kreisen der slowakischen Regierung unter der Führung der sozialdemokratischen Partei SMER.

In die Kritik geraten war dabei auch Innenminister Robert Kalinák. Kocner hatte erhebliche Steuererleichterungen erhalten und unter anderem den Zuschlag für den Bau des Luxuswohnviertels Five Star Residence.

Über die Enthüllungen des 27-jährigen Kuciak war der Unternehmer derart erbost, dass er drohte: „Ich mache dich fertig, deine Familie, deine Mutter und deinen Vater.“ Kuciak brachte dies bereits im Oktober zur Anzeige, von Seiten der Polizei wurde der Vorfall jedoch nicht ernst genommen. Premier Robert Fico (SMER) erklärte, wenn der Mord an Kuciak mit seiner Arbeit zusammenhänge, sei dies ein „Anschlag auf unsere Demokratie, der nicht hingenommen werden kann“.

Der frühere Chefermittler der Kriminalpolizei, Jaroslav Ivor, geht von der Tat eines professionellen Mörders aus. Die Präzision, mit der die tödlichen Schüsse auf beide Opfer fielen, zeigten nach Ivors Ansicht, dass es sich nicht um eine spontane Tat handelte, sondern um einen geplanten Anschlag.

Mafia dringt in die Slowakei ein

Der Kriminalist wollte sich allerdings noch nicht eindeutig auf Spur der Politik und Wirtschaftskriminalität einlassen. „Der Fall ist noch zu frisch, als dass man nur von einer Theorie ausgehen darf. Hypothetisch könnte ja auch die Partnerin des Journalisten das eigentliche Ziel gewesen sein“, erklärte Ivor gegenüber Journalisten.

Die Polizei müsse sich jetzt jedoch besonders große Mühe geben, schnell zu Erkenntnissen zu kommen, weil die Tat – da es sich um einen Mord an einem Kollegen handelte – eine sehr starke Medienaufmerksamkeit erhalten hat. In der Tat folgen nicht nur die Kriminalisten jeder Spur, sondern auch die Journalisten, die mit Kuciak zusammengearbeitet hatten.

Diese weisen auf eine Spur hin, die in eine ganz andere Richtung führt.
Kuciak hatte in den Wochen vor seinem Tod über die Ausweitung der italienischen Mafia in der Ostslowakei recherchiert. Wie in anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks, so in Ostdeutschland, in Tschechien und Polen, versuchen die Clans von ’Ndrangheta und Camorra auch in der Slowakei Fuß zu fassen und Stützpunkte zu errichten. Ziel ist dabei unter anderem, in eine aufblühende Wirtschaft einzudringen – die Slowakei verzeichnet seit ihrer Gründung enorme Wachstumsraten – und traditionelle Mafiageschäfte in den Osten voranzutreiben. Die Slowakei als Stützpunkt ermöglicht den Sprung in die Ukraine und nach Russland.

Erst vor einer Woche hatte Kuciak einen Beitrag veröffentlicht, in dem es um die Abschöpfung von EU-Fördermitteln für die Ostslowakei durch die italienische Mafia ging. Weitere Enthüllungen dazu sollten folgen, erklärte sein Kollege Tom Nicholson von der Zeitung Dennik N. Dies ist nun mit dem Mord vorerst verhindert worden.


Zweiter Mord in der EU

Luc Caregari, Präsident des luxemburgischen Journalistenverbands ALJP, sagteauf Nachfrage des Tageblatt, dass dies der zweite Mord innerhalb weniger Monate in der EU sei, bei dem Investigativjournalisten ums Leben kamen. Im Oktober 2017 wurde Daphne Caruana Galizia in Malta wegen ihrer Recherchen ermordet. „Schrecklich“ sei, dass der Mord in der Slowakei einen ähnlichen Kontext aufweise.


Juncker schockiert

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich bestürzt über die Ermordung des Enthüllungsjournalisten Jan Kuciak in der Slowakei geäußert.

„Ich verurteile diese feige Tat“, erklärte Juncker gestern auf Twitter. „Die Tötung oder Einschüchterung von Journalisten haben keinen Platz in Europa, keinen Platz in einer Demokratie,“ so der ehemalige luxemburgische Premierminister.


Daphne Caruana Galizia

Auf Malta war am 16. Oktober eine regierungskritische Journalistin mit einer Autobombe getötet worden. Daphne Caruana Galizia war kein Skandal zu klein oder zu groß gewesen, um darüber auf ihrem Blog zu schreiben. „Wo du auch hinschaust, überall sind Gauner. Die Lage ist hoffnungslos“, lautete die Überschrift des letzten Artikels. 20 Minuten später war die 53-jährige dreifache Mutter tot.

Mit ihren Enthüllungen machte sich Caruana Galizia viele Feinde – sogar Premierminister Joseph Muscat sagt, sie sei eine seiner schärfsten Kritiker gewesen. Caruana Galizia wühlte „in Maltas Dreck“, wo immer sie ihn finden konnte, berichteten damals italienische Medien. Sie schrieb nicht nur über korrupte Politiker, sondern auch über den Einfluss der Mafia auf Malta und berichtete über die „Panama Papers“. Für den Mord müssen sich derzeit drei Männer vor Gericht verantworten. Doch sind sie wirklich die „Masterminds“ des Anschlags, der als „Mord im Stile der Mafia“ bezeichnet wurde? Oder haben sie ihn nur ausgeführt?