Satire-Politiker Martin Sonneborn im Interview / „Der Langweiligere gewinnt, so ist das in Deutschland“

Martin Sonneborn glaubt nicht, dass Humor im Wahlkampf gefragt ist
Ein bisschen Spaß muss sein. Aber auch im Wahlkampf? Für die Unterhaltung sei er zuständig, sagt Martin Sonneborn, Chef der Satirepartei DIE PARTEI. Der 56-Jährige ist Abgeordneter im Europäischen Parlament. Nach der Bundestagswahl hofft er auf mehr.
Tageblatt: Herr Sonneborn, finden Sie auch, dass der Wahlkampf ziemlich unlustig ist?
Martin Sonneborn: Och, ich finde, der Wahlkampf ist durchaus unterhaltsam, sogar spannend. Man weiß ja diesmal nicht, wer letztlich an die Regierung kommt. Wir sind jedenfalls die einzige Partei, die mit absoluter Sicherheit sagen kann, dass sie auch nach der Wahl in der Opposition sein wird.
Sie wollten 299 Kanzlerkandidaten zur Bundestagswahl aufstellen, in jedem Wahlkreis einen. Wo sind die geblieben?
Wir haben immerhin 201 Kanzlerkandidaten aufgestellt, das ist mehr als alle anderen Parteien zusammen. Ich hätte die auch gerne alle mit zum Triell gebracht; obwohl ich gar nicht weiß, wie das dann heißen würde, mit 204 Teilnehmern. Auf jeden Fall wäre es amüsanter geworden als das, was wir erlebt haben.
Hat aus Ihrer Sicht einer der Kanzlerkandidaten beziehungsweise die Kanzlerkandidatin Humor?
Davon darf man wohl kaum ausgehen. Die Amerikaner fragen schon, welche Micky Maus bei uns Kanzler wird. Und damit haben sie recht. Ich glaube übrigens nicht, dass Humor im Wahlkampf gefragt ist. Der Langweiligere gewinnt, so ist das in Deutschland.
Scholz hat es mit Ironie versucht, sein Spruch von den „Versuchskaninchen“ bei den Impfungen ging freilich daneben.
Scholz ist trotzdem der beste CDU-Kanzler, den wir bekommen können. Aber für die Unterhaltung in der Politik sind sowieso wir zuständig. Nicht die anderen. Ich will auch gar keinen unterhaltsamen Bundeskanzler. Der letzte war Gerhard Schröder. Ein trinkfester Mann mit Humor. Nur leider politisch ein Desaster. Dann lieber einen Langweiler, der verantwortlich Politik betreibt. So einen sehe ich derzeit allerdings nicht.
Armin Laschet gilt als rheinische Frohnatur, ist im Karneval aktiv. Ist das kein Pfund fürs Kanzleramt?
Laschet hat nur begrenzt Humor. Da die CDU ihn kaum plakatiert, haben wir das vermehrt getan, Laschet als Arminion. Ich habe sein erstarrtes Gesicht gesehen, als er an so einem Plakat vorbeiging.
Wir wollen ein Existenzmaximum. Jeder bekommt zum 18. Geburtstag 250.000 Euro. Das Leben wird dann sehr viel entspannter.
Und Annalena Baerbock – wie humorvoll ist sie?
Das kann ich nicht sagen, das würde uns Wählerstimmen kosten.
Wieso?
Es war keine gute Idee der Grünen, die Kanzlerkandidatur rein nach Geschlecht zu vergeben. Ich glaube, Robert Habeck ist der Zurechnungsfähigere. Humor würde ich Frau Baerbock jedenfalls nicht unterstellen.
Sie werden den Sprung ins Parlament ja nicht schaffen …
Moment. Ich kandidiere für das Abgeordnetenhaus in Berlin. Da stehe ich zusammen mit ein paar alten, weißen Männern hinter drei Frauen auf der Liste der PARTEI. Wir haben die satirefähigsten Köpfe in Berlin zusammengezogen und wir kratzen im Moment an der Fünf-Prozent-Hürde. Umfragen haben uns sogar schon bei sechs Prozent gesehen.
Dann würden Sie ihr Mandat im Europaparlament aufgeben?
Ich will das Triple. Ich trete an als Kanzlerkandidat in Kreuzberg, für das Berliner Abgeordnetenhaus und behalte das Mandat im Europaparlament. Fragen Sie mich nicht, ob das juristisch möglich ist. Ist es nämlich nicht. Aber das sage ich nicht in der Öffentlichkeit. Europa könnte ich mittlerweile nebenher machen.
Falls Ihre Partei zufälligerweise den Sprung in den Bundestag schaffen sollte, wer wäre ihr Lieblings-Koalitionspartner?
Egal, Hauptsache wir werden das Zünglein an der Waage. Das ist das Maximum, was man als obskure Kleinpartei herausholen kann. Im Prinzip wären wir dann wie die FDP. Aber moralisch integer.
Was sind eigentlich Ihre wichtigsten Forderungen im Wahlkampf?
Wir wollen ein Existenzmaximum. In unserm Parteiprogramm – „99 Ideen zur Wiederbelebung der politischen Utopie“, KiWi-Taschenbuch, 10 Euro – steht, dass große Vermögen bei zehn Millionen Euro gekappt werden, alles, was darüber hinausgeht, wird umverteilt. Jeder bekommt zum 18. Geburtstag 250.000 Euro. Das Leben wird dann sehr viel entspannter in Deutschland. Außerdem wollen wir eine 100-Prozent-Frauenquote in allen Berufen und setzen uns für eine bundesweite Bier- und Dönerpreisbremse ein.
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