Bulgarien / Demonstranten fordern Abtritt, Dauerpremier Borissow sucht die Flucht nach vorn

Bulgariens Premier Borissow war am Wochenende in Brüssel beim EU-Gipfel – daheim brechen die Anti-Mafia-Proteste gegen ihn nicht ab
Bei den tagelangen Anti-Mafia-Protesten steht Bulgariens Premier Borissow vor einer Woche der Entscheidung. Die Demonstranten kündigen Blockadeaktionen, die Opposition ein Misstrauensvotum und Borissow eine Kabinettsumbildung an. Doch es scheint zunehmend ungewiss, ob er sein Mandat aussitzen kann.
Auch Regen und kühle Temperaturen vermögen Bulgariens Dauerproteste gegen Mafia-Machenschaften und Vetternwirtschaft nicht zu stoppen. Mit den Worten „Abtritt!“ „Mafia raus!“ forderten am Wochenende landesweit erneut Zehntausende von Demonstranten den Rücktritt von Regierungschef Bojko Borissow und Generalstaatsanwalt Iwan Geschew.
„Bulgarien erwacht. Die jungen Leute auf den Straßen werden Ignoranz und Korruption nicht mehr länger tolerieren“, verkündet der den oppositionellen Sozialisten (BSP) nahestehende Staatschef Rumen Radew: „Sie sind sich der Mission ihrer Generation bewusst – die Mafia von der Macht zu vertreiben.“
An einen vorzeitigen Abtritt verschwendet der hart kritisierte Dauerpremier hingegen keine Gedanken. Die Infektions- und Todeszahlen seien am Steigen, spätestens im Herbst stehe dem Land eine schwere Rezession bevor, warnt der Chef der rechten GERB-Partei: „Wir benötigen Konsolidierung, keine Teilung in der Krise: Wer von denjenigen, die nun protestieren, verfügt über mehr Erfahrung und Wissen als wir?“
Die jungen Leute auf den Straßen sind sich der Mission ihrer Generation bewusst – die Mafia von der Macht zu vertreibenden oppositionellen Sozialisten (BSP) nahestehender Staatschef
Über Krisen-, Affären- und Skandalerfahrung verfügt der 61-Jährige in der Tat genug: Seit 2009 dominiert der bullige Ex-Leibwächter mit kurzen Unterbrechungen das Politparkett im EU-Armenhaus. Doch seine engen Bande mit den Tycoons der als Oligarchenpartei verrufenen DPS wie mit deren Ehrenvorsitzenden Ahmed Dogan oder Medienmogul Deljan Peewski drohen den Liebhaber dicker Zigarren ins Straucheln zu bringen: In Sofia mehren sich die Zweifel, ob der Ex-Feuerwehrmann sein Mandat bis 2021 aussitzen kann.
Auf einer Sondersitzung des Parlaments will die Opposition am Montag einen Misstrauensantrag stellen, der am Mittwoch zur Abstimmung gelangen dürfte. Gleichzeitig rufen die Organisatoren der Proteste landesweit zu Blockadeaktionen auf. Borissow sucht derweil mit dem Austausch der Innen-, Justiz- und Finanzminister die Flucht nach vorne. Die Forderung nach einer Übergangsregierung verwirft er als „absurd“: Sollte die Opposition das Ruder übernehmen, werde das Land „sofort zusammenbrechen“.
Am Ende fast aller EU-Sozialstatistiken
Das Misstrauensvotum wird die Minderheitsregierung von GERB mit den nationalistischen Vereinten Patrioten dank ihrer Stimmreserven unter den fraktionslosen Abgeordneten vermutlich überleben. Doch der Druck auf Borissow nimmt zu – selbst in seiner eigenen Partei beginnt es zu rumoren.
Tatsächlich nimmt sich die Bilanz der seit 2009 mit kurzen Unterbrechungen währenden Ära Borissow eher dürftig aus. 13 Jahre nach dem EU-Beitritt dümpelt das ärmste EU-Mitglied nicht nur am Ende fast aller Sozialstatistiken: Auch auf dem Korruptionsindex von Transparency International und dem Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen sackt das von starker Abwanderung geplagte EU-Schlusslicht stets weiter ab.
Die Proteste würden „mit Sicherheit in die Geschichte eingehen“, glaubt die regierungskritische Zeitung Sega: „Entweder als erfolgreicher Versuch des Souverän, sich die Macht über seinen Staat zurückzuholen, oder als Beweis dafür, dass ein kriminelles Gesindel sich so stark an die Macht klammern kann, dass man es nicht einmal mit einer Kanone wegbomben kann.“
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